Arbeitsrecht: Verdachtskündigung, Notwendigkeit einer angemessenen Zeitspanne für eine Anhörung

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, 21.03.2018, Az.: 3 Sa 398/17

Nach dem Kündigungsschutzgesetz ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben des privaten Rechts die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat.

Neben einer ordentlichen Kündigung aus betrieblichen, personen- oder verhaltensbedingten Gründen, kann aber auch eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB ausgesprochen werden.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Tatsachengrundlage auf die die Kündigung gestützt wird, ausreichend belegt ist. Dazu gehört auch, dass dem Arbeitnehmer Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben wurde, sobald eine Kündigung lediglich auf einen Verdacht oder einer Vermutung für kündigungsrelevantes Verhalten beruhen soll.

Im nachstehenden Urteil hat das Landesarbeitsgericht Schleswig- Holstein klargestellt, dass für eine solche Anhörung ein Zeitraum von weniger als zwei Arbeitstagen zur Abgabe einer Stellungnahme vor Ausspruch einer Verdachtskündigung in der Regel unangemessen kurz ist. Das gelte umso mehr, wenn dem Arbeitgeber bekannt sei, dass sich der Arbeitnehmer regelmäßig anwaltlich vertreten lasse und der Arbeitnehmer zudem arbeitsunfähig krank sei.

Sachverhalt und Vorgeschichte

Im vorliegenden Fall klagt ein Entwicklungsingenieur (der Kläger) gegen seinen Arbeitgeber (die Beklagte), ein Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie, wegen einer umstrittenen Versetzung, einer Änderungskündigung und einer fristlosen Verdachtskündigung. Der Kläger war seit 2012 bei der Beklagten angestellt und hatte bereits erfolgreich gegen frühere Kündigungen geklagt. Er war für die Produktentwicklung zuständig, wurde jedoch im Juni 2016 mündlich in den Außendienst versetzt, was er ablehnte. Eine darauf folgende Änderungskündigung und eine fristlose Kündigung wegen des Verdachts des Datenmissbrauchs und Diebstahls wurden ebenfalls angefochten.

Die Versetzung

Am 20. Juni 2016 wies die Beklagte den Kläger an, ab sofort im Außendienst in Mecklenburg-Vorpommern zu arbeiten, was eine deutliche Abweichung von seinen bisherigen Aufgaben als Entwicklungsingenieur darstellte. Die schriftliche Bestätigung der Versetzung folgte am 28. Juni 2016. Der Kläger lehnte dies ab, da er der Meinung war, die Versetzung sei nicht durch das Direktionsrecht gedeckt. Zudem empfand er die neue Tätigkeit als unzumutbar und nicht vergleichbar mit seiner bisherigen Position.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein stellte fest, dass die Versetzung tatsächlich rechtswidrig war. Die neuen Aufgaben im Außendienst unterschieden sich grundlegend von den bisherigen Pflichten des Klägers, und die Tätigkeiten waren nicht gleichwertig. Auch eine Kürzung des Gehalts für die neue Tätigkeit war vorgesehen, was die Unzumutbarkeit verstärkte.

Änderungskündigung

Die Beklagte kündigte dem Kläger am 28. Juni 2016 eine Änderungskündigung zum 30. September 2016, um ihn dauerhaft im Außendienst zu beschäftigen. Diese Änderungskündigung wurde vom Kläger ebenfalls angefochten. Der Kläger argumentierte, dass es keine betriebliche Notwendigkeit für die Änderungskündigung gäbe, da die Abteilung für Forschung und Entwicklung nie wirklich geschlossen worden sei, sondern nur umbenannt wurde. Die Beklagte wiederum behauptete, die Entscheidung zur Schließung dieser Abteilung sei bereits 2013 gefallen und durch eine unternehmerische Entscheidung im Jahr 2016 bestätigt worden.

Das Gericht entschied zugunsten des Klägers. Es stellte fest, dass die betriebliche Notwendigkeit für die Änderungskündigung nicht ausreichend nachgewiesen wurde. Die Kündigungsgründe waren bereits Gegenstand früherer Verfahren, und es gab keine neuen Erkenntnisse, die eine Änderungskündigung rechtfertigen würden.

Verdachtskündigung

Im Juli 2016 erfuhr die Beklagte, dass über den Laptop des Klägers große Datenmengen heruntergeladen worden waren. Es entstand der Verdacht, dass der Kläger betriebliche Daten missbraucht und die Festplatte des Laptops manipuliert habe. Daraufhin kündigte die Beklagte dem Kläger am 12. August 2016 fristlos.

Das Gericht entschied, dass die fristlose Kündigung nicht rechtmäßig war. Zwar bestand ein Verdacht gegen den Kläger, aber die Beklagte hatte es versäumt, ihn ordnungsgemäß zu den Vorwürfen anzuhören. Insbesondere wurde die Frist für die Stellungnahme zu kurz bemessen. Auch der Vorwurf des Datenmissbrauchs war nicht ausreichend belegt, und es wurde festgestellt, dass der Kläger den Laptop, wenn auch verspätet und möglicherweise versehentlich den falschen, zurückgesandt hatte.

Fehler bei der Betriebsratsanhörung

Das Gericht bemängelte außerdem, dass die Betriebsratsanhörung im Vorfeld der Kündigung nicht korrekt durchgeführt wurde. Die Beklagte hätte den Kläger besser über die Vorwürfe informieren und ihm mehr Zeit für eine Stellungnahme geben müssen. Zudem hätte das Anhörungsschreiben dem Anwalt des Klägers übermittelt werden sollen, da die Beklagte wusste, dass der Kläger anwaltlich vertreten war.

Urteil

Das LAG Schleswig-Holstein urteilte, dass sowohl die Änderungskündigung als auch die fristlose Verdachtskündigung unwirksam waren. Der Kläger war nicht ordnungsgemäß angehört worden, und die Vorwürfe waren nicht hinreichend belegt. Auch die Versetzung war unrechtmäßig, da sie nicht im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers lag und die neue Position für den Kläger nicht zumutbar war. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wurde somit nicht aufgelöst, und die Klage des Klägers hatte weitgehend Erfolg.

Quelle: Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein

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