Landgericht Gießen, Beschluss vom 08.12.2022, Az.: 7 T 349/22
Wenn ein Mietvertrag die Vereinbarung enthält, dass der Mieter zu bestimmten Dienstleistungen verpflichtet ist und im Gegenzug einen geringeren Mietzins zahlt, dann stellt diese Leistungspflicht eine Hauptleistung dar. Die Vereinbarung ist ein mit dem Mietvertrag verbundener Dienstvertrag, der im Synallagma zur Überlassung der Mieträume steht. Wenn mietvertraglich vereinbart ist, dass bei Wegfall der Dienstleistung neu über die Höhe des Mietzinses verhandelt werden soll, so steht dem Vermieter ein Kündigungsrecht für den Fall zu, dass es nicht zu einer erneuten Einigung kommt. Die Kündigungsfrist richtet sich in diesem Fall nach § 621 Nr.3 BGB.
Sachverhalt des Mietrechtsfalles:
Anstelle von einem Teil der Miete wurde der Mieter zu bestimmten Dienstleistungen verpflichtet
In dem Fall vor dem Landgericht Gießen hatten die Parteien vereinbart, dass der Mieter bestimmte Aufgaben in den Gemeinschaftsbereichen des Hauses übernehmen, sowie den ebenfalls in dem Gebäude lebenden Vermieter unterstützen sollte. Als der Vermieter in ein Seniorenheim umzog, benötigte er diese Unterstützung nicht mehr und sendete dem Mieter einen neuen Entwurf des Mietvertrages, mit einer ortsüblichen Miete, zu. Als dieser die Vertragsänderung ablehnte, kündigte der Vermieter den Mietvertrag. Am 22.07.2022 erhob er Klage gegen den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Mieträume vor dem Amtsgericht Gießen.
Nachdem die Dienstleistungen (Gartenarbeit) nicht mehr benötigt wurden, wollte der Vermieter die ortsübliche Miete haben
Die Parteien hatten in §17 ihres Mietvertrages vereinbart, dass die Leistungspflichten des Beklagten eine Gegenleistung für einen niedrigeren Mietzins darstellen sollen. Daher sollte erneut über die Höhe des Mietzinses verhandelt werden, sofern eine der Gegenleistungen wegfiele. Nachdem der Kläger aufgrund eines Sturzes am 15.01.22 entschied, in ein Seniorenheim umzuziehen, benötigte er die vertraglich vereinbarten Unterstützungsleistungen durch den Beklagten nicht mehr. Die Pflege des Gartens war von dem Beklagten, trotz Vereinbarung, auch bis zu diesem Zeitpunkt nicht übernommen worden. Daher übermittelte der Kläger dem Beklagten Anfang März 2022 einen neuen Mietvertrag, mit einem ortsüblichen Mietzins.
Als der Mieter den neuen Vertragsschluss verweigerte, kündigte der Vermieter den Mietvertrag
Da der Beklagte diesen nicht unterschrieb, kündigte der Kläger das Mietverhältnis am 30.03.2022 fristlos zum 31.03.2022, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt unter Angabe einer Räumungsfrist bis zum 30.04.2022. Der Beklagte ist der Ansicht, die Kündigung sei unwirksam. § 17 des Mietvertrages begründe lediglich eine Verpflichtung der Parteien, über eine Anpassung des Mietzinses zu verhandeln, aber kein Kündigungsrecht, falls es nicht zu einer diesbezüglichen Einigung der Parteien käme. Zudem sei in der Zusendung des neuen Mietvertrages durch den Kläger keine Verhandlungsbereitschaft zu sehen.
Dennoch räumte der Mieter nach Räumungsklage die Mietsache, danach stritten die Parteien über die Kosten
Nachdem der Beklagte die Mietsache am 31.08.2022 geräumt an den Kläger herausgab, erklärte dieser die Klage für erledigt und beantragte, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Das Amtsgericht Gießen hob die Kosten des Rechtsstreits mit Beschluss vom 21.10.2022 gemäß § 91a ZPO gegeneinander auf, unter Hinweis darauf, dass dies der Regelfall sei, wenn, wie hier, keine Beweisaufnahme stattgefunden habe. Gegen diesen Beschluss legte der Beklagte am 03.11.2022 sofortige Beschwerde gemäß § 567 ZPO ein, infolgedessen legte das Amtsgericht Gießen die Sache am 28.11.2022 dem Landgericht Gießen vor.
Beschluss des Landgerichts Gießen
Das Gericht entschied, dass der Vermieter ein Recht zur Kündigung gehabt habe
Das Gericht entschied, dass die Beschwerde zwar zulässig, aber nicht begründet sei. Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts Gießen werde jedoch aufgrund der Grundsätze der reformatio in peius nicht aufgehoben.
Der Kläger habe ein Recht zur Kündigung des Mietverhältnisses auf Grundlage der Vereinbarung in § 17 des Mietvertrages und der Mietvertrag sei daher durch die Kündigungserklärung zum 30.04.2022 beendet worden.
Zunächst führte das Gericht aus, im Rahmen der Kostenentscheidung sei es, anders als von dem Amtsgericht Gießen angenommen, nicht auf eine Beweisaufnahme angekommen. Entscheidend sei lediglich, ob § 17 des Mietvertrages ein Kündigungsrecht des Vermieters begründe. Dies sei hier der Fall, der Vermieter könne den Mietvertrag außerordentlich kündigen.
Mietvertraglich sei vereinbart gewesen, dass bei Wegfall der Dienstleistungsverpflichtung ein Kündigungsrecht bestünde
Als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 543 Abs.1 BGB führte der Kläger den zukünftigen Wegfall der in § 17 des Mietvertrages festgelegten Leistungsverpflichtung des Beklagten an. Ein wichtiger Grund erfordert, dass dem Kläger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ein Festhalten an dem Vertrag bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist. Diesbezüglich sei vorliegend zunächst zu berücksichtigen, dass der Wegfall des Erfordernisses der Gegenleistung in den Verantwortungsbereich des Klägers fällt, aber jedenfalls ein berechtigtes Interesse an der Änderung des Vertrages darstellt. Andererseits ist in dem Mietvertrag ausdrücklich festgelegt, dass die Leistungsverpflichtung eine Gegenleistung für eine geringere Miete darstellt.
Daher handele es sich, wie die Zahlung des Mietzinses, um eine Hauptleistungspflicht des Mieters, nicht lediglich eine Nebenleistung. Diese Vereinbarung stelle einen mit dem Mietvertrag gekoppelten Dienstvertrag dar, der in einem Synallagma zu der Überlassung der Mieträume stehe. Dieser Dienstvertrag könne daher bei Wegfall der Gegenleistung mit der Frist des § 621 Nr.3 BGB gekündigt werden.
Mieter habe sich nicht länger der Zahlung eines ordnungsgemäßen Mietzinses entziehen können
Zudem sei in der Zusendung des neuen Mietvertrages durch den Vermieter am 07.03.2022 ein Angebot zu einem Vertragsabschluss zu sehen. Dies sei üblicherweise als Eintritt in Vertragsverhandlungen zu verstehen und entspreche daher den Vorgaben des §17 des Mietvertrages. Aus der Vorformulierung des Vertrages ergebe sich keine fehlende Verhandlungsbereitschaft des Vermieters, sondern lediglich die Aussage, einen Vertrag zu diesen Konditionen schließen zu wollen. Des Weiteren könne die vertraglich festgelegte Pflicht zur Verhandlung das Kündigungsrecht des Vermieters nicht beschränken. Dies entspräche nicht dem Sinn und Zweck der Regelung. Der Mieter könne sich dann dauerhaft durch das Vortäuschen seiner Verhandlungsbereitschaft, ohne aber je einen Vertrag zu einem angepassten Mietzins zu schließen, einer Mieterhöhung entziehen und die Regelung würde im Ergebnis ins Leere laufen.
Quelle: LG Gießen
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