Oberverwaltungsgericht NRW, 21.09.2017, Az.: 6 A 916/16
Nach Art. 33 Abs. 1, 2 GG hat jeder Deutsche in jedem Bundesland die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Darüber hinaus hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Nach § 9 BeamtStG sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen.
Unter die Eignung fallen neben persönliche Kriterien auch körperliche Kriterien, wie die Körpergröße, sofern dies für die jeweilige Befähigung erforderlich ist. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass nur solche Kriterien zugrunde gelegt werden dürfen, welche lediglich ein bereits durch Gesetz benanntes Kriterium konkretisieren. Eine darüber hinaus gehende Abwägung zum Beispiel grundrechtlicher Gedanken darf ohne vorherige Gesetzgebung nicht erfolgen.
Case Background
Im Jahr 2013 bewarb sich der Kläger um eine Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst bei der Polizei Nordrhein-Westfalen. Obwohl er alle Eignungstests bestanden hatte, wurde seine Bewerbung abgelehnt, da er die vorgeschriebene Mindestkörpergröße von 168 cm für männliche Bewerber nicht erfüllte. Der Kläger argumentierte, dass diese Mindestgröße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das Grundgesetz (Art. 33 Abs. 2 GG) verstoße. Er führte aus, dass er mit einer Körpergröße von 166,2 cm nicht weniger leistungsfähig sei als eine Frau mit der geforderten Mindestgröße von 163 cm.
Positions of the Parties
Der Kläger sah die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen bei der Mindestkörpergröße als Diskriminierung. Es sei nicht nachvollziehbar, warum männliche Bewerber unter 168 cm nicht in der Lage sein sollten, die Aufgaben im Polizeidienst genauso gut zu erfüllen wie weibliche Bewerber mit einer Körpergröße von 163 cm. Außerdem verwies er darauf, dass er in allen anderen Eignungstests gute Ergebnisse erzielt habe.
Das beklagte Land hingegen verteidigte die Mindestkörpergröße mit Verweis auf den Erlass des Innenministeriums, der seit 2006 gilt. Die Festlegung der Mindestgröße sei aus operativen Gründen und aufgrund von Erfahrungen in der Aus- und Fortbildung notwendig. Man wolle sicherstellen, dass alle Polizeibeamten uneingeschränkt dienstfähig seien.
Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschied zugunsten des Klägers. Es stellte fest, dass der Bescheid, der die Bewerbung des Klägers abgelehnt hatte, rechtswidrig sei. Die Festlegung einer unterschiedlichen Mindestkörpergröße für Männer und Frauen verletze das Recht auf eine fehlerfreie Entscheidung über die Bewerbung aus Art. 33 Abs. 2 GG. Das Gericht hob hervor, dass zwar die Festlegung einer allgemeinen Mindestgröße von 163 cm gerechtfertigt sei, die höhere Anforderung von 168 cm für Männer jedoch nicht. Diese Differenzierung sei diskriminierend und bedürfe einer gesetzlichen Grundlage, die hier nicht gegeben sei.
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen
Auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Berufung des beklagten Landes wurde abgewiesen. Das Gericht führte aus, dass die Festlegung einer allgemeinen Mindestgröße von 163 cm für alle Bewerber und Bewerberinnen zulässig sei, da sie im Rahmen der Dienstfähigkeit des Polizeidienstes begründet sei. Diese Entscheidung falle in den Beurteilungsspielraum des Dienstherrn. Eine darüber hinausgehende Festlegung, wie die von 168 cm für Männer, sei jedoch rechtswidrig.
Das Land habe keine ausreichende gesetzliche Grundlage für diese Unterscheidung, da die Festlegung nur durch einen Erlass und nicht durch ein Parlamentsgesetz oder eine Verordnung erfolgt sei. Zudem stelle die unterschiedliche Mindestgröße einen unzulässigen „Vorteilsausgleich“ dar, der Frauen bevorzugt und Männer benachteiligt, ohne dass dies durch die Eignungsanforderungen gerechtfertigt sei.
Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Entscheidung
Das Gericht betonte, dass die allgemeine Mindestgröße von 163 cm verhältnismäßig und geeignet sei, die Anforderungen des Polizeidienstes sicherzustellen. Sie sei auch erforderlich, um die uneingeschränkte Dienstfähigkeit zu gewährleisten. Eine weitere Anhebung der Größe ausschließlich für Männer sei jedoch nicht notwendig und unverhältnismäßig. Die Festlegung durch einen Erlass ohne gesetzliche Grundlage verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Conclusion
Das Urteil zeigt, dass Unterschiede in den Einstellungsvoraussetzungen, wie beispielsweise bei der Körpergröße, nur dann zulässig sind, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen und verhältnismäßig sind. Im vorliegenden Fall war die Ungleichbehandlung von männlichen und weiblichen Bewerbern rechtswidrig, da sie ohne ausreichende rechtliche Basis erfolgte und den Gleichheitsgrundsatz verletzte.
Source: Higher Administrative Court NRW
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