VG Aachen, 05.10.2010, Az.: 3 K 605/10
Man muss die Erteilung von Baugenehmigungen an seine Nachbarn nicht widerspruchslos hinnehmen. Außergerichtlich kann man gegen die Baugenehmigung mit dem Widerspruch und gerichtlich mit der Anfechtungsklage vorgehen. Sowohl bei dem Widerspruch als auch bei der Anfechtungsklage ist allerdings zu beachten, dass diese Rechtsbehelfe gemäß § 212a BauGB keine aufschiebende Wirkung entfalten. Die aufschiebende Wirkung ist ein Begriff des Verwaltungsrechts und bedeutet, dass der Verwaltungsakt (Baugenehmigung) noch nicht vollzogen werden kann, bis über das Rechtsmittel (Widerspruch/Anfechtungsklage) entschieden wurde. Entsprechend muss der Dritte, will er auch im Eilverfahren gegen die Baugenehmigung vorgehen, gemäß § 80a Abs. 4 VwGO noch zusätzlich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen.
Besondere Vorsicht sollte man auch dann walten lassen, wenn der Nachbar einen Bauvorbescheid durch die Baubehörde erhalten hat. Bereits vor der Einreichung eines Bauantrages kann der Bauherr nämlich einen schriftlichen Antrag auf Vorabentscheidung (die Bauvoranfrage) stellen. Daraufhin erläßt die Bauaufsichtsbehörde in schriftlicher Form einen sogenannten Vorbescheid (vgl. § 71 BauO NRW). Dieser Bauvorbescheid entfaltet sogenannte Bindungswirkung, d. h. dass die Baurechtsbehörde dann inhaltlich bei der Erteilung der Baugenehmigung an die im Vorbescheid entschiedenen Fragen gebunden ist. Diese Bindungswirkung tritt auch gegenüber dem Nachbarn ein, so dass dieser bereits nach Erteilung des die nachbarschützenden Normen verletzenden Bauvorbescheides Widerspruch bzw. Anfechtungsklage gegen diesen einreichen muss. Tut er dies nicht, kann eine später erteilte Baugenehmigung hinsichtlich derjenigen Fragen, die im Bauvorbescheid bereits entschieden wurden, nicht mehr angegriffen werden.
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Einen ähnlichen Fall hatte nun das Amtsgericht Aachen hinsichtlich eines Bauvorbescheides für eine Nutzungsänderung eines ehemaligen Lichtspielhauses in eine Vereinststätte bzw. Integrationszentrum in dem oben genannten Urteil zu entscheiden.
Facts of the Case:
Klägerin war Nachbarin eine Grundstücks, auf welchem ein Integrationszentrum entstehen sollte
Die Beigeladene hatte einen Bauvorbescheid für die Nutzungsänderung eines ehemaligen Lichtspielhauses in eine Vereinsstätte bzw. in ein Integrationszentrum beantragt. Diesen Antrag ergänzte sie um Angaben zu den geplanten Nutzungsarten und Betriebszeiten.
Die Klägerin war Eigentümerin eines gegenüberliegenden Hausgrundstücks. Die Stadt erteilte ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben der Beigeladenen. Ein Bebauungsplan bestand nicht.
Anschließend erteilte der Beklagte der Beigeladenen eine Bebauungsgenehmigung für die Nutzungsänderung des ehemaligen Lichtspielhauses in eine Vereinsstätte bzw. in ein Integrationszentrum. In dem positiven Bescheid nahm der Beklagte ebenfalls die Betriebsbeschreibung der Beigeladenen sowie deren Festlegung der Betriebszeiten auf. Ferner wies er die Beigeladene darauf hin, dass der Lärmschutz nach Maßgabe der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) sicherzustellen sei und zitierte die dortigen Vorschriften über die höchstzulässigen Immissionswerte im Mischgebiet einerseits und im allgemeinen Wohngebiet anderseits sowie die Vorgaben, welche die TA Lärm zur Bestimmung des maßgeblichen Immissionsorts trifft.
Klägerin klagte gegen den Vorbescheid und war der Ansicht, dass dieser zu unbestimmt sei
Die Klägerin hatte gegen den Vorbescheid Klage mit dem Ziel der Aufhebung erhoben und vertrat die Ansicht, dass der angefochtene Vorbescheid zu unbestimmt sei. Weder die von der Beigeladenen beabsichtigte Nutzungsart noch das Nutzungsmaß seien im Bauvorbescheid und den zugehörigen Antragsunterlagen konkret und nachvollziehbar festgelegt. Es sei nicht klar, um welches Vorhaben es eigentlich im Rahmen der Bauvoranfrage gehe. Es sei insbesondere unklar, ob durch den Bauvorbescheid auch die Nutzung des Gebäudes als Ort von Musikveranstaltungen legalisiert werde.
Der Vorbescheid lasse keine klaren und eindeutigen Festlegungen zu Art und Umfang der Nutzung zu
Jedenfalls habe die Beigeladene dem Beklagten bislang kein klares Nutzungskonzept vorgelegt und damit auch kein prüffähiges Vorhaben zur Genehmigung gestellt. Ferner sei nicht klar, wer Träger und was Zweck des im Antrag auf Erteilung des Bauvorbescheides angesprochenen Vereins sei. Von dem ehemaligen Lichtspielhaus seien in der Vergangenheit mehrmals unzumutbare Lärmimmissionen ausgegangen. Diese Lärmimmissionen seien auch von der nunmehr beabsichtigten Nutzungsänderung zu befürchten. Der Beklagte hingegen war der Ansicht, dass nachbarschützende Vorschriften des Baurechts – insbesondere das Rücksichtnahmegebot – nicht verletzt seien.
Ruling of the Administrative Court of Aachen
Verwaltungsgericht Aachen folgte der Ansicht der Nachbarin
Das VG Aachen folgte der Ansicht der Klägerin und sah diese durch den Bauvorbescheid in ihren Rechten als Grundstücksnachbarin verletzt. Mangels hinreichender Bestimmtheit des geplanten Vorhabens zur Nutzung eines ehemaligen Lichtspielhauses als Vereinsstätte und/oder Integrationszentrum ließe der angefochtene Bauvorbescheid, der die planungsrechtliche Zulässigkeit bejahe, klare und eindeutige Festlegungen von Art und Umfang der geplanten Nutzung vermissen, die erforderlich seien, um eine Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften des öffentlichen Baurechts auszuschließen. Der Bauvorbescheid sei insofern rechtswidrig.
Quelle: VG Aachen
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