Mietrecht: Bei Verlust von mehr als 20 Prozent ist Verwertungskündigung gerechtfertigt

Amtsgericht Dachau, Urteil vom 10.05.2024 – 4 C 240/22

Eine Möglichkeit, ein Mietverhältnis zu beenden ist die sogenannte Verwertungskündigung. Diese ist immer dann möglich, wenn der Eigentümer (Vermieter) durch die Vermietung des Objektes an einer ordnungsgemäßen wirtschaftlichen Verwertung des Objektes gehindert ist.

Doch wo genau liegt die Grenze, ab welcher man argumentieren kann, dass die Verwertung im vermieteten Zustand hinsichtlich der Verwertung im unvermieteten Zustand erhebliche Nachteile bringt? Dies ist nicht immer genau zu bestimmen. Im vorliegenden Fall wurde im Rahmen eines Räumungsrechtsstreits ein gerichtliches Sachverständigengutachten eingeholt.

Facts of the Case:

Vermieter hatte Einfamilienhaus an Mieter vermietet

Der Kläger in diesem Fall war Vermieter und die Beklagten waren Mieter eines Einfamilienhauses. Die Mieter hatten das Einfamilienhaus mit schriftlichem Mietvertrag vom 18.12.2007 ab dem 15.03.2008 angemietet. Die aktuelle Nettomiete betrug monatlich 2.110,97 Euro.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.02.2022 hatte der Kläger die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.11.2022 wegen wirtschaftlicher Verwertung erklärt (sogenannte Verwertungskündigung).

Da er das Haus verkaufen wollte, erklärte der Vermieter die Verwertungskündigung

Mit der Kündigung hatte der Vermieter geltend gemacht, dass er durch das bestehende Mietverhältnis an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der Immobilie gehindert sei. Im Falle der Veräußerung der streitgegenständlichen Immobilie sei in vermietetem Zustand ein Verkaufspreis von maximal 1,3 Millionen Euro und in unvermietetem Zustand ein Verkaufspreis von 1,75 Millionen Euro erzielbar. Dies bedeute, dass der Kläger im Falle der Veräußerung der streitgegenständlichen Immobilie bei Fortbestehen des Mietverhältnisses mit den Beklagten einen Mindererlös in Höhe von 25,71 % im Verhältnis zum zu erwartenden Erlös bei Veräußerung nach beendetem Mietverhältnis hinnehmen müsse.

Als Begründung führte er einen Verlust von mehr als 20% an

Ferner machte der Vermieter geltend, dass im Falle einer baurechtlich genehmigten Errichtung eines weiteren Einfamilienhauses auf dem mitvermieteten rückwärtigen Grundstücksbereich ein Gewinn in Höhe von 400.000,00 Euro entstünde und damit die Verlustquote insgesamt 48,57 % betrage. Der Kläger habe bereits intensive Verkaufsbemühungen unternommen. Er sei finanziell auch auf die möglichen Erlöse durch den Verkauf des Mietobjekts in unvermietetem Zustand und die gleichzeitige Realisierung des Bauvorhabens für den Ankauf einer Immobilie im Ausland zur Verwirklichung eines Lebenstraumes angewiesen.

Da die Mieter nicht innerhalb der Frist der ordentlichen Kündigung ausgezogen waren, reichte der Vermieter Räumungsklage beim Amtsgericht Dachau ein. Im Rahmen dieses Räumungsrechtsstreits beantragte der Vermieter die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens.

Entscheidung des Amtsgerichts Dachau:

Amtsgericht sah die Verwertungskündigung als gerechtfertigt an

Das Amtsgericht Dachau entschied, dass der Vermieter gegen die Mieter einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Mietobjekts habe, da die ordentliche Kündigung (Verwertungskündigung) das Mietverhältnis wirksam beendet habe.

Die Voraussetzungen der Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB seien vorliegend erfüllt, da der Kläger zur Überzeugung des Gerichts durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert sei und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde.

Sachverständiger habe festgestellt, dass der Verlust durch Vermietung erheblich sei

Bei einem Verkauf verhindere das Mietverhältnis die Verwertung dann, wenn infolge der Vermietung ein Verkauf zu wirtschaftlich angemessenen Bedingungen nicht möglich sei, oder sich kein Interessent für die vermietete Wohnung finde. Durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses müsse der Vermieter selbst erhebliche Nachteile erleiden. Dabei sei allerdings nicht allein die Sicht des Vermieters relevant, sondern es seien die für den konkreten Vermieter entstehenden Nachteile im Lichte der Sozialpflichtigkeit des Eigentums abzuwägen. Es genüge einerseits nicht „irgendein“ Nachteil des Vermieters, während andererseits auch nicht erforderlich sei, dass der Nachteil so gravierend ist, dass der Vermieter in seiner Existenz gefährdet sei.

Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, betrage der Verkehrswert der streitgegenständlichen Immobilie ohne weitere Bebauung im frei verfügbaren Zustand 1.614.000 Euro und in vermietetem Zustand 1.182.000 Euro.

Wert sei hier durch Ertragswertverfahren und nicht durch Sachwertverfahren zu bestimmen

Dabei habe der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Erläuterung des Sachverständigengutachtens auch überzeugend ausgeführt, dass der Verkehrswert des vermieteten Grundstücks nach dem Ertragswertverfahren zu bestimmen sei, wobei der rückwärtige Grundstücksteil als Gartenland berücksichtigt werde, da dieser im Falle einer Vermietung auch nicht anders nutzbar sei. Im Falle eines frei verfügbaren Grundstücks sei der Verkehrswert dagegen nach dem Sachwertverfahren zu bestimmen, wobei insoweit der rückwärtige Grundstücksteil als Bauland zu bewerten sei, da ein Käufer im frei verfügbaren Zustand das Grundstück auch entsprechend nutzen könne.

Der Mindererlös habe eine Erheblichkeit des Nachteils zur Folge.

Der von der Sachverständigen ermittelte Mindererlös von 432.000,00 Euro, mithin ca. 26,77 %, sei auch als erheblich anzusehen, da die Erheblichkeitsgrenze, bei der von einem wesentlichen Nachteil im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB gesprochen werden könne, bei einem Mindererlös von 15 % bis 20 % anzusetzen sei. Dabei sei regelmäßig auch nicht auf die Vermögensverhältnisse des Vermieters abzustellen, da der Nachteil – bezogen auf das konkrete Objekt – für den vermögenden Vermieter nicht geringer sei, als für den wirtschaftlich schwächeren Vermieter.

Unter diesen Umständen komme es vorliegend nicht auf die konkreten wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers an, zumal dieser den Wunsch zur Veräußerung der streitgegenständlichen Immobilie hinreichend substantiiert dargelegt habe. Insoweit könne vorliegend auch dahinstehen, ob im Falle einer Errichtung eines weiteren Einfamilienhauses auf dem streitgegenständlichen Grundstück ein weiterer Mindererlös eintreten würde.

Im Ergebnis müssen die Mieter das Einfamilienhaus räumen

Auch nach Ansicht des Gerichts war die Verwertungskündigung somit wirksam, da der Vermieter einen Verlust von mehr als 20% nicht hinnehmen müsse. Die Mieter wurden somit zur Räumung und Herausgabe des Einfamilienhauses verurteilt.

Quelle: Amtsgericht Dachau

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