Sozialgericht Aachen, 14.03.2017, Az.: S 13 KR 312/16
Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden. Arbeitsunfähigkeit (AU) ist die auf Krankheit beruhende Unfähigkeit, die zuletzt verrichtete oder eine ähnliche Beschäftigung oder Tätigkeit fortzusetzen (BSG, Urteil vom 30.05.1967 – 3 RK 15/65).
Der Anspruch auf Krankengeld besteht nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V jedoch nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigt ist. Im Weiteren bleibt der Anspruch jeweils nur bis zu dem Tag bestehen, an dem die unmittelbar anschließende weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird.
Hintergrund des Rechtsstreits: Anspruch auf Krankengeld
Im vorliegenden Fall stritten die Klägerin und die Beklagte, eine Krankenkasse, über den Anspruch auf Krankengeld für den Zeitraum vom 01. März bis 31. Juli 2016. Die Klägerin, seit Juli 2014 arbeitslos und bis Februar 2016 im Bezug von Arbeitslosengeld, war ab dem 08. Januar 2016 wegen einer mittelschweren Depression arbeitsunfähig. Nach Ablauf des Arbeitslosengeldes bezog sie ab dem 29. Februar 2016 Krankengeld. Aufgrund von Lücken in der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit verweigerte die Krankenkasse jedoch die Fortzahlung ab dem 01. März 2016.
Entscheidung der Krankenkasse: Verweigerung des Krankengeldes
Die Krankenkasse lehnte mit Bescheid vom 09. März 2016 die weitere Zahlung von Krankengeld ab dem 01. März 2016 ab. Sie begründete dies damit, dass der Anspruch auf Krankengeld nur bestehe, wenn die Arbeitsunfähigkeit lückenlos ärztlich bescheinigt werde. Da zwischen den einzelnen Bescheinigungen der behandelnden Ärztin Lücken von wenigen Tagen bestanden, sah die Krankenkasse den Anspruch als erloschen an. Die Klägerin reichte daraufhin Klage ein und argumentierte, dass sie aufgrund ihrer depressiven Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig ihre Ärztin aufzusuchen.
Urteilsfindung: Sozialgericht gibt der Klägerin recht
Das Sozialgericht Aachen entschied zugunsten der Klägerin und erklärte die ablehnenden Bescheide der Krankenkasse für rechtswidrig. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Krankengeld für den Zeitraum vom 01. März bis 31. Juli 2016. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin aufgrund ihrer Krankheit handlungsunfähig gewesen sei und daher die Lücke in den Bescheinigungen gerechtfertigt sei. Die behandelnde Ärztin bestätigte zudem, dass die Arbeitsunfähigkeit fortlaufend seit dem 08. Januar 2016 bestanden habe.
Rechtsgrundlage und Ausnahmen: Handlungsunfähigkeit als entscheidender Faktor
Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V muss die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt werden. Das Gericht führte aus, dass in Ausnahmefällen eine rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zulässig sei, wenn die betroffene Person aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage war, rechtzeitig ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall erkannte das Gericht eine tatsächliche Handlungsunfähigkeit bei der Klägerin an. Die Klägerin hatte unmittelbar nach dem Ende ihrer Handlungsunfähigkeit die erforderlichen Schritte unternommen, um den Anspruch auf Krankengeld sicherzustellen.
Das Urteil verdeutlicht, dass in besonderen Fällen, wie bei schwerwiegenden psychischen Erkrankungen, Ausnahmen von der strikten Anwendung der Krankengeldvorschriften möglich sind.
Quelle: Sozialgericht Aachen
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