Landessozialgericht Baden-Württemberg, 26.09.2012, Az.: L 2 SO 1378/11
Gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII können Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können ebenfalls Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten.
Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Die Leistungen der Eingliederungshilfe lassen sich somit in folgende Bereiche aufteilen:
– Leistungen der Eingliederungshilfe an Menschen mit körperlich/geistiger Behinderung
– Leistungen der Eingliederungshilfe an Menschen mit psychisch/seelischer Behinderung
– Leistungen der Eingliederungshilfe an suchtkranke Menschen
– Leistungen der Eingliederungshilfe ohne Differenzierung nach Behinderungsarten
In dem oben genannten Fall des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ging es um die Frage, ob der beklagte Landkreis einer mehrfach geistig und körperlich behinderten Frau einen PKW finanzieren musste, welchen die Mutter der Frau zu deren Beförderung benutzen wollte.
Introduction to the Case
Die Klägerin, im Jahr 1988 geboren und mehrfach geistig sowie körperlich schwer behindert, reichte im Januar 2006, vertreten durch ihre Mutter, beim zuständigen Landkreis einen Antrag auf Hilfe zur Anschaffung und zum behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeugs ein. Aufgrund ihrer Behinderungen war sie weder in der Lage zu sehen noch zu sprechen und litt an einer therapieresistenten Epilepsie sowie einer Skoliose. Sie lebte seit 10 Jahren bei ihrer Mutter, die sie pflegte. Da die öffentlichen Verkehrsmittel nicht behindertengerecht waren, konnte die Klägerin diese nicht nutzen.
Ablehnung durch den Landkreis
Der beklagte Landkreis lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Notwendigkeit eines eigenen Fahrzeugs nicht gegeben sei. Es sei nicht die Aufgabe der Sozialhilfe, einen sozialen Mindeststandard zu gewährleisten, und auch nichtbehinderte Menschen müssten ohne eigenes Fahrzeug auskommen. Zudem gäbe es einen Beförderungsdienst für schwerbehinderte Personen, der ausreichend sei, um den Bedarf der Klägerin zu decken. Die Mutter der Klägerin könne für Arztbesuche auf den Behindertenfahrdienst und die gesetzlichen Krankenkassen zurückgreifen. Außerdem dürfe die Hilfe unmittelbar nur dem behinderten Menschen zugutekommen und nicht der Familie einen Vorteil verschaffen.
Entscheidung des Sozialgerichts
Die Klägerin klagte gegen diese Ablehnung vor dem Sozialgericht Freiburg und erhielt Recht. Das Sozialgericht entschied, dass der Anspruch auf Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff. SGB XII in Verbindung mit der Eingliederungshilfe-Verordnung besteht. Der Landkreis hätte das Anliegen der Klägerin nicht ausreichend geprüft und den Bedarf an Behindertenfahrdiensten falsch eingeschätzt. Der Beklagte habe während eines Erörterungstermins sogar eingeräumt, nicht zu wissen, wie viele Fahrzeuge für berechtigte Personen zur Verfügung stehen. Die Entscheidung des Landkreises wurde als ermessensfehlerhaft eingestuft.
Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg bestätigte das Urteil des Sozialgerichts Freiburg und wies die Berufung des Landkreises zurück. Es stellte klar, dass der Anspruch der Klägerin auf Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII berechtigt sei. Das Hauptziel der Eingliederungshilfe bestehe darin, Behinderungen zu mildern und die Eingliederung in die Gesellschaft zu fördern. Hierzu zähle auch die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben. Die Anschaffung eines behindertengerechten Fahrzeugs sei nicht daran gebunden, dass die Klägerin das Fahrzeug täglich nutzen müsse. Zudem sei es irrelevant, dass das Fahrzeug von der Mutter der Klägerin gefahren werde, da es primär dem behinderten Menschen zugutekommen solle.
Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg
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