Amtsgericht Bensheim, 17.11.2004, 22 Js 13439/99 – 5 Ls VII
Aufgrund der alternden Gesellschaft und der steigenden Arbeitsbelastung der jüngeren Gesellschaft haben ambulante Pflegedienste in unserer Gesellschaft eine wichtige Funktion übernommen.
Demente, psychisch kranke oder behinderte Hilfebedürftige werden von den Pflegediensten in Ihren Wohnungen versorgt und unterstützt und es wird somit dafür Sorge getragen, dass die Hilfebedürftigen möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können.
Obwohl der Großteil der ambulanten Pflegdienste sehr gute Arbeit leistet, kann es vorkommen, dass sich einzelne Pflegedienste Vergütungen für nicht erbrachte Dienstleistungen bezahlen lassen oder einzelne Leistungen des Pflegedienstes durch nicht examiniertes Personal erbracht werden.
Wenn derartiges Fehlverhalten des Pflegedienstes gegeben ist, können strafrechtliche und zivilrechtliche Folgen drohen. Zivilrechtlich kann ein Pflegedienst zur Rückerstattung der Vergütung und eventuell zur Zahlung von Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld verurteilt werden.
Strafrechtlich stellt die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen bzw. die Erbringung dieser Leistungen durch nicht examiniertes Personal einen Betrug gem. § 263 StGB (Abrechnungsbetrug) dar.
In dem oben genannten Fall des Amtsgericht Bensheim wurden vertragswidrig Leistungen der Behandlungspflege durch nicht examiniertes Personal des Pflegedienstes erbracht.
Sachverhalt: Verletzung des Pflegevertrags
Die Angeklagte war Eigentümerin eines ambulanten Pflegedienstes und hatte in einem Pflegevertrag festgelegt, dass die erforderlichen Behandlungspflegeleistungen ausschließlich von examiniertem Personal erbracht werden sollten. Dies war eine vertragliche Verpflichtung, die den Qualitätsstandards entsprach, die in der Pflegebranche erwartet werden. Trotzdem ließ die Angeklagte in 87 Fällen die Pflegeleistungen von nicht examiniertem Personal erbringen und rechnete diese anschließend ab, als wären sie von qualifiziertem Personal ausgeführt worden.
Strafrechtliche Bewertung: Gewerbsmäßiger Betrug
Das Amtsgericht Bensheim sah in dem Verhalten der Angeklagten den Tatbestand des gewerbsmäßigen Betruges gemäß §§ 263 Abs. 1 und 3, 53 StGB als erfüllt an. Die Angeklagte täuschte durch die Abrechnung der Pflegeleistungen den Eindruck, dass die Leistungen von qualifiziertem, examiniertem Personal erbracht worden waren, obwohl dies nicht der Fall war. Ein wesentlicher Aspekt des Betrugs war zudem, dass in der Abrechnung die höheren Lohnkosten für das examinierte Personal angegeben wurden, obwohl diese Leistungen nicht abrechnungsfähig waren, wenn sie von unqualifiziertem Personal ausgeführt wurden.
Schadensumfang und Anzahl der Fälle
Die Angeklagte verursachte durch ihr Verhalten einen erheblichen Schaden, der sich in der Vielzahl der Fälle und der unberechtigten Abrechnung widerspiegelte. Das Gericht erkannte, dass durch die systematische Vorgehensweise der Angeklagten ein wiederholtes betrügerisches Verhalten vorlag. Insgesamt handelte es sich um 87 Fälle, in denen die erbrachten Pflegeleistungen nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprachen und daher eine unrechtmäßige Bereicherung darstellten.
Strafmaß: Milderung durch Geständnis
Das Amtsgericht Bensheim verurteilte die Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten. Diese Strafe spiegelte die Schwere des Delikts wider, insbesondere die gewerbsmäßige Natur des Betrugs und den entstandenen Schaden. Allerdings berücksichtigte das Gericht strafmildernd, dass die Angeklagte umfassend geständig war und somit zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hatte. Dies führte zu einer Reduzierung der Strafe, ohne dass eine Bewährungsstrafe verhängt wurde.
Zusammenfassend zeigt der Fall, dass der Missbrauch von Pflegeverträgen und die systematische Abrechnung nicht qualifizierter Leistungen schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben.
Quelle: Amtsgericht Bensheim
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