Verwaltungsgericht Hannover, Beschluss vom 29.11.2010, (Az.: 4 B 3164/10)
Im Rahmen des Ausbaus und der Förderung der Erneuerbaren Energien werden in Deutschland immer mehr Biogasanlagen errichtet. Beim Umgang mit diesen Anlagen entstehen immer wieder penetrante Gerüche durch die Freisetzung der Gase Ammoniak und Schwefelwasserstoff. Diese Gerüche sind daher häufig Gegenstand von Nachbarschaftsklagen im einstweiligen Rechtschutzverfahren oder im Hauptsacheverfahren.
Gem. § 3 Abs. 2 BImSchG ist Geruch Luftverunreinigung und damit Immission. Die Begrenzung von Emissionen von Luftschadstoffen und Lärm ist in Deutschland im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und seinen zugehörigen Verordnungen, insbesondere der TA Lärm und der TA Luft, geregelt.
Allerdings enthält die TA Luft keine Regelungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen.
Diese Immissionsschutzlücke wird durch die Geruchsimmissions-Richtlinie, Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen – GIRL geschlossen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Beschluss vom 07.05.2007, (Az.: 4 B 5.07) geregelt: Die GIRL ist „ein rechtlich nicht verbindliches Regelwerk, welches lediglich technische Normen enthält, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten Sachverständigengutachten haben.“
Bei der mit der GIRL zu erstellenden Bewertung, ob eine Belästigung als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkung anzusehen ist, sind eine Vielzahl von Kriterien heranzuziehen. Zu diesen Kriterien zählen die Geruchsart, die Geruchsintensität, die tages- und jahreszeitliche Verteilung der Einwirkungen, der Rhythmus, in dem die Belastungen auftreten und die Nutzung des jeweiligen Gebietes.
Die Erfassung der jeweiligen Geruchsimmissionssituation vor Ort kann entweder durch eine Rasterbegehung, eine Immissionsprognose (Ausbreitungsrechnung) oder eine Fragebogenerhebung erfolgen.
In einem nachbarschutzrechtlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hatte nun das Verwaltungsgericht Hannover zu entscheiden, ob einer Biogasanlage die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung aufgrund von Geruchsbelästigungen zu versagen war.
Sachverhalt: Die Antragsteller waren Einwohner einer Kleinstadt in Niedersachsen und wandten sich mit einem Eilantrag gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Biogasanlage durch das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Hannover. Die Anlage sollte in etwa 250m Entfernung von den Wohnhäusern der Antragsteller errichtet werden. Die Antragsteller waren der Ansicht, dass die beabsichtigte Errichtung der Biogasanlage sie in ihren Nachbarschutzrechten verletzen würde.
Verwaltungsgericht Hannover: Das Verwaltungsgericht Hannover folgte dieser Auffassung nicht. Die von der Anlage ausgehenden Geruchsimmissionen seien nach der Geruchsimmissions-Richtlinie – GIRL – zu beurteilen und danach irrelevant, weil der zusätzliche Geruchsstundenanteil höchstens 2 % der Jahresstunden betrage. Die durch den Betrieb der Anlage zu erwartenden Schallemissionen seien ebenfalls irrelevant. Nach den von einem Sachverständigen durchgeführten Berechnungen auf Grundlage der TA Lärm lägen sie mehr als 6 dB(A) unter dem für die Antragsteller maßgeblichen Immissionsrichtwert. Auch eine Staubbelästigung insbesondere durch den Zulieferverkehr während der Erntezeit sei nicht zu erwarten. In der Anlage werde Mais- und Grassilage verarbeitet. Beides gehöre nicht zu den Gärsubstraten, die Stäube erwarten ließen, die eine besondere Staubvorsorge erforderten. Zudem sei die Zufahrtsstraße zu der Anlage asphaltiert. Dass gesundheitsgefährdende Stoffe von der Anlage emittiert würden, sei nicht zu erwarten, denn es würden ausschließlich nachwachsende Rohstoffe und Gülle nicht aber tierische Nebenprodukte eingesetzt werden. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass hiervon eine Gesundheitsgefährdung für die Anwohner ausgehe. Schließlich begegneten auch die Vorkehrungen gegen Störfälle keinen Bedenken. Es seien keine Fälle bekannt, in denen bei einer Havarie einer Biogasanlage Grundstücke in einem Radius von mehr als 200 m von Trümmerteilen getroffen würden.
Quelle: Verwaltungsgericht Hannover
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