Oberlandesgericht Köln, 29.01.2019, Az.: 22 U 30/17
Im Gewerbemietrecht behandelt das Gesetz im Gegensatz zum Wohnraummietrecht beide Parteien des Mietvertrages als gleichwertige Gegner. Nach § 580a II BGB ist die gesetzliche ordentliche Kündigungsfrist somit für Vermieter und für Mieter gleich und beträgt sechs Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres.
Neben der ordentlichen Kündigungsfrist können die jeweiligen Parteien auch noch bestimmte Sonderkündigungsrechte haben, welche sich entweder aus dem Gesetz oder aus dem Mietvertrag selbst ergeben können. In dem hier besprochenen Fall des Oberlandesgerichts Köln hatte dieses darüber zu entscheiden, ob das Mietverhältnis durch den Mieter aufgrund seiner Kündigung ordnungsgemäß beendigt worden war, weil über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten mindestens 30% des gesamten Handelsflächen leerstanden. Eine solche Klausel befand sich im Mietvertrag der Parteien.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens
Betreiberin eines Schuhgeschäfts kündigte Gewerbemietvertrag wegen Leerstand
Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass das zwischen ihr und der Beklagten bestehende Mietverhältnis über ein Schuhgeschäft in einem Einkaufszentrum durch die von der Klägerin am 02.07.2015 ausgesprochene Kündigung zum 31.12.2015 wirksam beendet worden ist.
Mietvertrag enthielt Leerstandsklausel
Der Mietvertrag enthielt unter anderem die folgende Regelung:
§ 21 Ziff. 4 Absatz 2: Der Mieter hat das Recht der Kündigung, wenn über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten mindestens 30% der gesamten Handelsflächen leer stehen. Die Kündigungsfrist beträgt dann 3 Monate zum Quartalsende.“
Die Übergabe des Mietobjekts erfolgte am 2.9.2008. Mit Schreiben vom 02.07.2015 kündigte die Klägerin den Mietvertrag unter Bezug auf § 21 Ziff. 4 des Mietvertrages und behauptete unter Vorlage der nach ihrer Darstellung ihr von der Maklerin im Vorfeld des Vertrages überlassenen, nicht maßstabsgerechten Pläne, dass seit spätestens Dezember 2014 mehr als 30% der Handelsflächen leer gestanden hätten. Auf der Basis der im Exposé angegebenen Flächen und Flächenmaße hatte sie als Gesamthandelsfläche eine Fläche von ca. 20.000 qm zugrunde gelegt und in den Plänen die angeblichen Leerstandsflächen „rot“ markiert und die betroffene Fläche auf rund 6.600 qm geschätzt.
Nach Ansicht der Mieterin sei der Mietvertrag nicht befristet gewesen
Im Übrigen hatte die Klägerin die Ansicht vertreten, dass die Kündigung als ordentliche Kündigung mangels wirksamer Befristung des Mietvertrages wirksam gewesen sei. Das Schriftformerfordernis gemäß § 550 BGB sei nicht eingehalten worden. Bei dem ursprünglichen Mietvertrag habe es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen gehandelt. Mangels konkreter Angaben zum Zeitpunkt der Übergabe der Mietsache sei von einem auf unbefristete Zeit abgeschlossenen Vertrag auszugehen, der innerhalb der gesetzlichen Fristen kündbar sei.
Das zunächst angerufene Landgericht Köln hat die Klage abgewiesen und geurteilt, dass weder eine ordentliche noch eine außerordentliche Kündigung das Mietverhältnis beendet habe.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin dann frist- und formgerecht Berufung eingelegt und diese auch frist – und formgerecht begründet und dann den erstinstanzlich geltend gemachten Feststellungsantrag weiterverfolgt.
Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Köln
Das mit der Berufung befasste OLG Köln hat nun ebenfalls entschieden, dass der Feststellungsantrag unbegründet sei und das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen habe. Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis sei nicht aufgrund der Kündigung der Klägerin vom 2.7.2015 zum 31.12.2015 beendet worden.
Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf ein Kündigungsrecht gem. § 21 Ziff. 4 Absatz 2 des Mietvertrages wegen Leerstehens von Handelsflächen in Höhe von mindestens 30% über einen Zeitraum von 6 Monaten berufen.
Mieterin habe im Rechtsstreit nicht nachgewiesen, dass tatsächlich ein Leerstand von über 30% bestand
Die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen, dass im Zeitpunkt der Kündigung ein Leerstand der Handelsflächen von jedenfalls 30% vorgelegen habe. Da sich die Klägerin auf ein Kündigungsrecht berufen würde, sei sie für das Vorliegen der Voraussetzungen des Kündigungsrechts darlegungs- und beweispflichtig. Soweit die Beklagte als Vermieterin zumindest für die Flächengröße der gesamten und der einzelnen anderweitig vermieteten Handelsflächen sekundär darlegungspflichtig sei, sei die Klägerin dem von der Beklagten im Berufungsverfahren ergänzten Sachvortrag nicht konkret entgegengetreten.
Zwischen den Parteien sei nicht mehr in Streit, dass zu den „Handelsflächen“ im Sinne von § 21 Ziff. 4 Absatz 2 des Mietvertrages nur „Einzelhandelsflächen“, nicht auch Gastronomieflächen oder sonstige vermietete Flächen wie Büros etc, gehören. Soweit die Parteien über die Frage der Einbeziehung der Fläche des im 2.OG vorhandenen Fitnessstudios streiten würden, habe der Senat bereits im Termin am 20.3.2018 ausgeführt, dass diese Fläche nicht als „Leerstandsfläche“ zu berücksichtigen sei. Streitig sei zwischen den Parteien im Wesentlichen, von welcher Größe der Gesamteinzelhandelsfläche und von welcher Größe der einzelnen vom Leerstand betroffenen Einzelhandelsflächen auszugehen sei. Der Mietvertrag nebst Anlagen enthalte zur Größe der Gesamthandelsfläche und zur Größe der Einzelhandelsflächen keine Vereinbarungen oder Angaben.
Soweit die Klägerin zunächst erstinstanzlich – mangels von der Beklagten vorgelegter vermaßter Pläne – auf der Basis des ihr von der Maklerin vor Abschluss des Mietvertrages übergebenen Exposés die Gesamthandelsfläche im EG, 1. und 2. OG mit ca. 20.000 qm angegeben, die Größe der im Einzelnen gekennzeichneten leerstehenden Läden auf ca. 6.600 qm geschätzt und die Leerstandquote auf über 30% beziffert habe, seien diese Größenangaben nicht maßgeblich. Die Klägerin habe nicht hinreichend dargetan, dass diese Pläne Gegenstand oder Vertragsgrundlage des erst im Herbst 2005 von der Beklagten unterzeichneten Mietvertrages gewesen seien. Die Beklagte habe bereits erstinstanzlich unter Bezugnahme auf die Pläne für das Basement, das EG, das 1. OG und das 2. OG und die Aufstellung HK 7 vorgetragen, dass es – mit Zustimmung der Mieter – zu Umplanungen gekommen sei und dass bei Übergabe des Mietobjekts und Eröffnung des Einkaufszentrums im Herbst 2008 tatsächlich nur eine Gesamteinzelhandelsfläche von ca. 17.893,19 qm vorhanden gewesen war. Unter Berücksichtigung der in den von ihr vorgelegten Plänen enthaltenen Flächengrößen der leer stehenden Läden ergebe sich eine Leerstandsquote von nur unter 18%.
Sachverständigengutachten war mangels ausreichendem Vortrag abgelehnt worden
Das Landgericht habe nach der Vernehmung der Zeugen K. und von V., die die Richtigkeit der von der Beklagten vorgelegten Aufstellung und Pläne bestätigt hätten, nicht feststellen können, dass die Behauptung der Klägerin zu den Leerstandsflächen zutreffend sei. Die von der Klägerin beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es mangels konkreter Darlegung der Flächengrößen seitens der Klägerin abgelehnt. Der Senat sehe unter Berücksichtigung der von der Klägerin gerügten vermeintlichen Verfahrensfehler und der gegen die Ausführungen des Landgerichts zum Umfang der Darlegungslast und gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts erhobenen Einwendungen für die Wiederholung bzw. für eine ergänzende Beweisaufnahme keine Veranlassung. Auf die Anforderung des Senats habe die Beklagte im Berufungsverfahren die von der Klägerin zur Einsicht verlangten vermaßten Pläne vorgelegt. Der Klägerin sei daher nunmehr ein konkreter Vortrag zur Größe der Gesamthandelsflächen und zu der Größe der leerstehenden Flächen möglich gewesen. Sie habe hierzu indes nicht mehr weiter vorgetragen. Soweit sie die Vorlage von vermaßten Plänen bezogen auf das Jahr 2003 verlangt habe, sei nicht hinreichend dargetan, dass diese Pläne bei Unterzeichnung des Mietvertrages im Juni 2005 Gegenstand bzw. Geschäftsgrundlage des Vertrages gewesen waren. Zu diesem Zeitpunkt sei das Gebäude zudem noch nicht errichtet gewesen. Im Übrigen werde auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 2.7.2018 verwiesen, wonach es maßgeblich auf den Zustand bei Eröffnung des Einkaufszentrums im Jahr 2008 ankomme. Insbesondere hätten die Mieter – auch die Klägerin – den tatsächlichen Zustand und durchgeführte Umplanungen bei der Übergabe nicht als vertragswidrig beanstandet.
Die Klägerin habe demnach nicht konkret und nachvollziehbar dargetan, dass – entgegen den Aussagen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen – ab Dezember 2014 tatsächlich über 6 Monate mindestens 30% der Handelsflächen leer gestanden hätten.
Mietvertrag sei durch die ordentliche Kündigung nicht beendet worden
Auch sei der Mietvertrag nicht aufgrund einer in der Erklärung vom 2.7.2015 enthaltenen ordentlichen Kündigung gem. § 580 a Abs. 2 BGB zum 31.12.2015 beendet worden.
Die Parteien hätten in § 3 Ziff. 1 des von den Vertragsparteien unterschriebenen schriftlichen Mietvertrages vom 21.10.2003/3.6.2005 eine Vertragslaufzeit von 10 Jahren ab der Übergabe der Mietfläche, die unstreitig am 2. September 2008 erfolgt sei, vereinbart. Nach dem Vertrag habe dieser somit frühestens am 1.9.2018 geendet. Somit sei die Klägerin im Zeitpunkt der Kündigungserklärung nicht zu einer vorzeitigen ordentlichen Kündigung mit Wirkung zum 31.12.2015 berechtigt gewesen. Eine Befristung des Mietvertrages schließe grundsätzlich die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung während der Vertragslaufzeit aus (§ 542 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Entgegen des Vortrags der Klägerin sei auch die gemäß § 550 Satz 1 BGB erforderliche Schriftform des Mietvertrages vorliegend eingehalten, es liegt kein unbefristetes Mietverhältnis vor.
Der Umstand, dass der Mietvertrag von der Klägerin bereits im Oktober 2003, von der Beklagten aber erst im Juni 2005 unterzeichnet worden sei , sei unschädlich. Da die Annahme des von der Klägerin unterbreiteten Angebots nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt sei, dürfte dies zwar gem. §§ 146, 147 Abs. 2 BGB zum Erlöschen des Antrags geführt haben; die verspätete Annahme der Beklagten könne aber als Abgabe eines neuen Angebots gem. § 150 Abs. 1 BGB angesehen werden, das in der Folgezeit von der Klägerin angenommen worden sei, wobei auch diese Vereinbarung der Schriftform bedürfe. Wenn ein formgerechter Mietvertrag mangels rechtzeitiger Annahme zunächst nicht abgeschlossen worden ist, so komme jedenfalls durch eine formgerechte Nachtragsvereinbarung, die auf die ursprüngliche Urkunde Bezug nehme, ein insgesamt formwirksamer Mietvertrag zustande (BGH NJW 2009, 2195).
Im Ergebnis sei das Mietverhältnis weder durch das im Mietvertrag enthaltende Sonderkündigungsrecht noch durch ordentliche Kündigung des Mietvertrages beendet worden.
Quelle: Oberlandesgericht Köln
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