Ausländerrecht: Döner-Koch ist kein Spezialitätenkoch im Sinne des Aufenthaltsgesetzes - MTH Rechtsanwälte Köln
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Ausländerrecht
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von: Helmer Tieben

Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 22.12.2022, Aktenzeichen: 14 K 139.19 V

Vor der Einreise nach Deutschland müssen Sie in Ihrem Heimatland ein nationales Visum beantragen. Die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland beteiligt dann die zuständige Ausländerbehörde. Im Visumverfahren müssen Sie Angaben zu Ihrer Arbeitsstelle in Deutschland machen. Nach der Einreise müssen Sie den Aufenthaltstitel schriftlich bei der Ausländerbehörde beantragen, bevor Ihr Visum abläuft. Dies gilt auch für sogenannte Spezialitätenköche, die in Deutschland in einem Spezialitätenrestaurant arbeiten möchten. In dem hier vorgestellten Fall des Verwaltungsgerichts Berlin ging es um die Frage, ob es sich bei dem Arbeitgeber um ein Spezialitätenrestaurant und bei dem Arbeitnehmer um einen Spezialitätenkoch handelte.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erteilung eines Visums zum Zwecke der Erwerbstätigkeit als Spezialitätenkoch.

Der Kläger beantragte beim deutschen Konsulat in Izmir einen Visumsantrag. Er hatte am 21.03.2018 beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland Izmir (Generalkonsulat) einen Visumantrag gestellt. Dabei legte er unter anderem einen Arbeitsvertrag mit seiner Arbeitgeberin für eine Beschäftigung als Koch ab dem 2. April 2017 und einen nicht beidseitig unterschriebenen Arbeitsvertrag ab dem 2. April 2018 sowie eine Speisekarte vor.

Sowohl Ausländerbehörde als auch Konsulat lehnten das Visum ab

Am 20. August 2018 lehnte die beigeladene Ausländerbehörde die Zustimmung zur Erteilung des Visums ab. Es handele sich bei dem Betrieb der Arbeitgeberin nicht um ein Spezialitätenrestaurant, sondern um einen Imbiss mit Selbstbedienung. Daraufhin lehnte auch das Generalkonsulat mit Schreiben vom 22. August 2018 die Erteilung des Visums ab.

Gegen diese Entscheidung remonstrierte der Kläger bei dem Konsulat

Hiergegen remonstrierte der Kläger mit Schreiben vom 29. bzw. 31. August 2018, eingegangen beim Generalkonsulat am 3. September 2018. In dem Betrieb der Arbeitgeberin würden ausschließlich türkische Spezialitäten angeboten. Das Angebot der türkischen Küche dominiere. Erneut lehnten sowohl die Beigeladene als auch die Botschaft die Remonstration ab. Mit dem Begriff „Spezialitätenrestaurant“ verbinde sich die Erwartung eines bestimmten äußeren Rahmens, der dem Erscheinungsbild einer gehobenen Gastronomie entspreche. Bei dem Betrieb der Arbeitgeberin sei dies nicht der Fall. Es handele sich um einen türkischen Imbiss mit Selbstbedienung und einem entsprechenden Speiseangebot im Niedrigpreissegment. Imbissbetriebe und Schnellrestaurants mit Selbstbedienung stellten keine Spezialitätenrestaurants dar. Bei dem Kläger handele es sich nicht um einen Spezialitätenkoch. Auch scheine der Betrieb der Arbeitgeberin nicht die Anforderungen an ein Spezialitätenrestaurant zu erfüllen. Schließlich sei auch die Plausibilität des eingereichten Arbeitsvertrages stark fraglich. Der Kläger habe das Visum erst am 21. März 2018 beantragt. Das Arbeitsverhältnis sei jedoch bereits zum 2. April 2017 begründet worden.

Nach erneuter Ablehnung klagte der türkische Kläger gegen die Entscheidung

Hiergegen hat der Kläger am 11. Juni 2019 Klage erhoben. Es handele sich bei dem Betrieb der Arbeitgeberin um ein Spezialitätenrestaurant und nicht um einen Imbiss. Der Betrieb sei ein Selbstbedienungsrestaurant. Es biete nur landestypische traditionelle Gerichte nach Originalrezepten an. Die einzige Besonderheit sei, dass es sich um ein „Selbstbedienungsspeisespezialitätenrestaurant“ handele. Der Kläger solle dort als gelernter Koch die traditionellen Gerichte nach Originalrezepten zubereiten. Das Lokal habe einen erheblichen Bedarf und bemühe sich, entsprechende Köche anzuwerben.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin

Das Gericht folgte der Ansicht der Ausländerbehörde und der Botschaft und urteilte, dass die Klage nicht begründet sei.

Anspruchsgrundlage für das begehrte Visum sei § 6 Abs. 3 i.V.m. § 19c Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Danach könne einem Ausländer unabhängig von einer Qualifikation als Fachkraft ein Visum zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Beschäftigungsverordnung oder eine zwischenstaatliche Vereinbarung bestimme, dass der Ausländer zur Ausübung dieser Beschäftigung zugelassen werden könne. Darüber hinaus sei gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG erforderlich, dass ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliege. Ferner setze die Visumerteilung zur Ausübung einer Beschäftigung gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 und § 39 Abs. 1 AufenthG die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit voraus, es sei denn, die Zustimmung sei kraft Gesetzes, auf Grund der Beschäftigungsverordnung oder Bestimmung in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung nicht erforderlich. Die Zustimmung könne erteilt werden, wenn dies durch ein Gesetz, die Beschäftigungsverordnung oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt sei. Gemäß § 11 Abs. 2 der Beschäftigungsverordnung (BeschV) könne die Zustimmung mit Vorrangprüfung für Spezialitätenköchinnen und Spezialitätenköche für die Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung in Spezialitätenrestaurants mit einer Geltungsdauer von bis zu vier Jahren erteilt werden. Die erstmalige Zustimmung werde längstens für ein Jahr erteilt. Im Übrigen müssten die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sein (vgl. § 5 AufenthG).

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums bzw. eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber würden nicht vorliegen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage seien nicht erfüllt. Zunächst liege eine Zustimmung der Beigeladenen zur Erteilung des Visums nicht vor. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Zustimmung nach § 39 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 BeschV seien auch nicht gegeben. Es handele sich bei dem Betrieb der Arbeitgeberin nämlich zur Überzeugung des Gerichts (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) nicht um ein Spezialitätenrestaurant.

Der Arbeitgeber sei kein Spezialitätenrestaurant

Ein Restaurant bezeichne nach allgemeinem Sprachempfinden eine Speisegaststätte, in der Essen serviert werde (vgl. http://www.duden.de/, abgerufen am 22. Dezember 2022) und in der die Gäste im Allgemeinen eine gewisse Zeit verweilen. An ein Spezialitätenrestaurant seien höhere Anforderungen zu stellen. Es handele sich dabei nach allgemeinem Sprachempfinden um ein Restaurant, das vor allem Spezialitäten, nämlich besonders zubereitete Gerichte anbiete (vgl. http://www.duden.de, abgerufen am 22. Dezember 2022).

Nach verbreiteter Auffassung in der Literatur würden mit dem Begriff „Spezialitätenrestaurant“ diejenigen Betriebe umschrieben, bei denen eindeutig das Angebot an Speisen einer bestimmten ausländischen Küche dominiere. Danach erhalte ein Spezialitätenrestaurant sein Gepräge insbesondere durch das Angebot ausländischer, nach Rezepten des jeweiligen Landes zubereiteter Speisen. Die Produktpalette solle zu mindestens 90 % aus landestypischen Spezialitäten bestehen, der Firmenname auf die Landesküche hinweisen und die Einrichtung und Ausgestaltung den nationalen Charakter des jeweiligen Landes wiedergeben. Mit dem Begriff „Spezialitätenrestaurant“ solle sich nach der Verkehrsauffassung auch die Erwartung eines bestimmten äußeren Rahmens verbinden, der dem Erscheinungsbild einer gehobenen Gastronomie entspreche. Keine Spezialitätenrestaurants im Sinne des § 11 Abs. 2 BeschV seien deshalb Imbisslokale, Bistros, Fast-Food-Betriebe, Schnellrestaurants und Restaurants ohne Bedienung/Servicepersonal. Dieses Verständnis entspreche im Wesentlichen den internen Weisungen der Beigeladenen zu 2) (vgl. Bundesagentur für Arbeit, Fachliche Weisungen, Stand: 06/2021, S. 81, 19c.11.3), die als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften jedoch nicht Maßstab, sondern Gegenstand richterlicher Überprüfung seien.

Der türkische Arbeitnehmer sei somit an dieser Arbeitsstelle auch kein Spezialitätenkoch

Zweck der Regelung des § 11 Abs. 2 BeschV sei es, die auf eine bestimmte ausländische Küche spezialisierten Restaurants durch die Zulassung von Fachkräften in die Lage zu versetzen, ihre Produkte landestypisch und unverfälscht anbieten zu können. Sie ermögliche einen spezifischen Personalbedarf zu befriedigen, der auf dem hiesigen Arbeitsmarkt grundsätzlich nicht gedeckt werden könne. Erforderlich sei danach – wie die Verordnungsbegründung zu § 26 BeschV a.F. formuliert (BR-Drs. 727/04 S. 39), den die Regelung des § 11 BeschV übernimmt (vgl. BR-Drs. 182/13 S. 32) – eine Prägung des Betriebskonzepts durch eine „echte nationale Küche“, d.h. ein Angebot ausländischer, nach Rezepten des jeweiligen Landes zubereiteter Speisen und Getränke. Nur solchen Köchen, die aufgrund ihrer Herkunft und Ausbildung über die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen, um diese landestypischen Speisen („Spezialitäten“) authentisch zuzubereiten, solle durch § 11 Abs. 2 BeschV privilegiert der Zugang zum Arbeitsmarkt und damit der Aufenthalt im Bundesgebiet eröffnet werden. Die durch die Verordnungsregelung vorgegebene Intention einer Originalität der angebotenen Gerichte werde nicht zuletzt durch die Begrenzung der Beschäftigungsmöglichkeit und des Aufenthalts auf höchstens vier Jahre (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BeschV) und die Vorgabe einer Mindestabwesenheit von drei Jahren vor einer erneuten Zustimmung (§ 11 Abs. 3 BeschV) verdeutlicht, die dazu dienen sollen, dass sich die betreffenden Personen wieder im Heimatland mit zwischenzeitlich geänderten Speisezubereitungen vertraut machen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Oktober 2019 – OVG 3 S 11.19 – juris, Rn. 3 m.w.N.; Beschluss vom 22. April 2022 – OVG 3 N 307.19 – amtl. EA S. 3).

Danach sei der Betrieb unter besonderer Berücksichtigung der Informationen auf der in das Verfahren eingeführten Webseite der Arbeitgeberin und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten kein Spezialitätenrestaurant. Es könne offenbleiben, ob in dem Betrieb mit Blick auf den auf der Webseite erkennbaren Schwerpunkt auf den Verkauf von Dönerprodukten und türkischer Pizza (Lichtbilder und Speisenkarte) überhaupt schwerpunktmäßig landestypische und unverfälschte Gerichte der türkischen Küche angeboten würden oder ob es sich insbesondere bei den angebotenen Dönerprodukten nicht eher um auf dem deutschen Markt entwickelte und an ihn angepasste Produkte handele. Ebenfalls bedürfe es keiner Entscheidung, ob ein Spezialitätenrestaurant, wie in der Literatur verbreitet angenommen werde, die Erwartung eines bestimmten äußeren Rahmens, der dem Erscheinungsbild einer gehobenen Gastronomie entspreche, erfüllen müsse. Denn bei dem Betrieb der Arbeitgeberin handele es sich entgegen ihrer Eigenbezeichnung bereits nicht um ein Restaurant. Der Betrieb stelle vielmehr einen Schnellimbiss mit Selbstbedienung dar. Vor einem typischen Dönerspieß würden an einem Imbiss-Verkaufstresen mit Frischwarenvitrine und Taschenabstellmöglichkeit auf offen einsehbaren Fertigungsflächen zubereitete Speisen produziert und zum Mitnehmen oder zum Verzehr vor Ort an vorhandenen Sitzmöglichkeiten abverkauft. Die Arbeitgeberin werbe auf ihrer Webseite selbst damit, dass man die Speisen „auch mitnehmen“ könne. Weder werde Essen serviert noch würden Gäste an den vorhandenen Tischen bedient, noch sei der Betrieb – zumindest schwerpunktmäßig – auf das Verweilen von Gästen über die kurzzeitige Nahrungsaufnahme hinaus erkennbar eingerichtet.

Auch sei das Arbeitsplatzangebot nicht ausreichend konkretisiert

Überdies liege kein konkretes Arbeitsplatzangebot im Sinne des § 18 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vor. Ein konkretes Arbeitsplatzangebot nach dieser Vorschrift liege vor, wenn der Arbeitgeber den verbindlichen Willen erkennen lasse, die Stelle mit dem Ausländer besetzen zu wollen. Hierfür müsse die Stelle auch voraussichtlich tatsächlich zur Verfügung stehen. Letzteres hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Der von ihm im Visumverfahren vorgelegte Arbeitsvertrag betreffe ein Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin zum 2. April 2017. Das weitere, vom Kläger nicht unterzeichnete Arbeitsvertragsangebot ebenfalls vom 12. Februar 2017 betreffe ein Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin zum 2. April 2018. Diese Unterlagen seien damit über fünf bzw. vier Jahre alt. Der Kläger habe mit seiner Klage auch keinen neuen Arbeitsvertrag oder andere Unterlagen eingereicht, aus denen sich der fortdauernde Beschäftigungswille der Arbeitgeberin entnehmen ließe. Dabei bestünde aufgrund der Ausführungen der Beklagten im Remonstrationsbescheid, dass Zweifel am wirklichen Interesse des Klägers und der Arbeitgeberin an einer Beschäftigung gerechtfertigt seien, aller Anlass, einen Nachweis für ein konkretes Arbeitsplatzangebot im Klageverfahren (erneut) zu erbringen. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte im Klageverfahren auf ihre Ausführungen im Remonstrationsbescheid Bezug genommen und diese damit zum Gegenstand ihres Beklagtenvorbringens gemacht habe. Danach habe das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass ein ursprünglich etwa bestehendes konkretes Arbeitsplatzangebot derzeit noch unverändert fortbesteht.

Quelle: VG Berlin

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