Landgericht Neuruppin, 30.06.2023, Az.: 4 T 38/23
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens
Räumungsklage wegen Eigenbedarf wurde durch Prozessvergleich beendet
In dem hier vorgestellten Rechtsstreit ging es um die Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung. Da der Rechtsstreit durch Prozessvergleich und Erledigungserklärung beendet worden war, gab es kein Urteil. Das Gericht allerdings beschloss am Ende, dass den Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden müssen. Dagegen reichten die Beklagten Beschwerde ein.
Mieter legten Beschwerde gegen Kostenentscheidung ein
Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens musste das angerufene Landgericht dann darüber entscheiden, ob für den Nachweis des Eigenbedarfs eine Anhörung der Partei, eine Parteivernahme oder eine Zeugenaussage hätte durchgeführt werden müssen. Da eine solche Notwendigkeit Einfluss auf die Kostenentscheidung gehabt hätte.
Entscheidung des Landgerichts Neuruppin:
Landgericht traf Progonoseentscheidung bzgl des Prozessverlaufs
Das LG Neuruppin führte aus, dass im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO eine Prognose stattfinden würde, wie das Verfahren betreffend die Hauptsache ohne die übereinstimmende Erledigung ausgegangen wäre und wer die Kosten des Verfahrens hätte tragen müssen. Dies erfordere eine Prognoseentscheidung betreffend die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt der Erledigung.
Die Kläger hätten sich hier auf Eigenbedarf berufen. Dessen Vorliegen hätte im Rahmen einer Beweisaufnahme festgestellt werden müssen. Voraussetzung für eine Eigenbedarfskündigung sei, dass gem. § 573 Abs. 1 S. 1 BGB ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses bestünde, das gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB dann vorliege, wenn der Kläger die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötige.
Um den Eigenbedarfswunsch des Vermieters nachzuvollziehen hätte es Beweisaufnahme bedurft
Bei der Auslegung und Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB hätten die Gerichte die Interessenabwägung des Gesetzgebers zwischen dem Erlangungsinteresse des Vermieters und dem Bestandsinteresse des Mieters in einer Weise nachzuvollziehen, die dem Eigentumsschutz Rechnung trage und die beiderseitigen Belange von Vermieter und Mieter in einen verhältnismäßigen Ausgleich bringe. Der Vermieter werde durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG in seiner Freiheit geschützt, die Wohnung bei Eigenbedarf selbst zu nutzen oder durch privilegierte Angehörige nutzen zu lassen. Die Gerichte seien daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters (oder seiner Angehörigen) zu setzen. Dem Erlangungswunsch des Vermieters seien allerdings zur Wahrung berechtigter Belange des Mieters Grenzen gesetzt. Zur Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung sei es deshalb erforderlich, dass der Vermieter den Eigenbedarfswunsch ernsthaft verfolge und er vernünftige, nachvollziehbare Gründe anführe und der geltend gemachte Eigenbedarf nicht objektiv unsinnig oder missbräuchlich sei. Rechtsmissbrauch in diesem Sinne könne dabei angenommen werden, wenn der Vermieter weit überhöhten Wohnbedarf geltend mache, die Wohnung die Nutzungswünsche des Vermieters nicht erfüllen könne oder der Wohnbedarf des Vermieters in einer anderen Wohnung ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden könne, was unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu beurteilen sei (BGH NJW 2015, 1590, Rn. 15 f.).
Da der Ausgang der Beweisaufnahme offen geblieben war, wurde die Kosten hälftig geteilt
Derartig vernünftige Gründe seien durch die Kläger substantiiert vorgetragen worden, indem sie behauptet hätten, das Reihenhaus für sich und ihre Kinder als Wohnhaus nutzen zu wollen, insbesondere wegen des gestiegenen Platzbedarfs und wegen der Tätigkeit des Klägers in Heimarbeit. Zudem sei behauptet worden, der Umzug sei wegen der sodann gegebenen räumlichen Nähe zu anderen Familienmitgliedern erforderlich gewesen.
Die Behauptung, es liege Eigenbedarf vor, hätten die Kläger im Prozess durch Zeugen beweisen müssen. Da das Ergebnis einer solchen Zeugenbefragung offen sei, hätten die Parteien die Kosten zu je 1/2 zu tragen (so auch Jaspersen in BeckOK ZPO, Vorwerk / Wolf, 48. Ed., Stand: 01.03.2023, § 91a, Rn. 31.1).
Quelle: Landgericht Neuruppin
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