Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, 12.09.2019, Az. 12 C 51/19
Aufgrund der Wohnraumknappheit in gewissen Gebieten wurden Gesetze geschaffen, die den Sozialen Wohnungsbau fördern sollen. So können für den Neubau von Wohnungen oder Modernisierungsmaßnahmen öffentliche Förderungen bereitgestellt werden. In solch geförderten Wohnungen, deren Mieten typischerweise verhältnismäßig günstig sind, dürfen nur Personen mit Wohnberechtigungsschein wohnen. Dies ist im Wohnungsbindungsgesetz (WobindG) geregelt. Ebenso ist in diesem Gesetz festgelegt, wann eine Wohnung als öffentlich gefördert gilt und eine Wohnungsbindung entfaltet.
Im nachstehenden Urteil stellt das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg klar, dass im Falle der Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter eines öffentlich geförderten Hauses die neu einziehende Person ebenfalls eine Wohnberechtigung benötigt. Es stellt ferner klar, dass die Eigenschaft eines Hauses als „öffentlich-gefördert“ durch eine Behörde per Verwaltungsakt festgestellt werden kann.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens
Mieter und Vermieter streiten über die Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung für die Mutter des Vermieters
Der Kläger ist Vermieter und die Beklagten sind Mieter von Wohnungen im selben Haus.
Am 2.5.2018 kündigt er die Mietverhältnisse mit den Mietparteien zum 31.1.2019 mit der Begründung, dass er die Wohnungen für seine kranke Mutter und seinen Vater benötige. Daher beantragt er in seiner Klage, dass die Mieter zur Räumung und Herausgabe der Wohnungen verurteilt werden.
Mieter halten Kündigung für unwirksam, weil die Mutter keinen Wohnberechtigungsschein habe
Die Mieter halten die Kündigungen jedoch für unwirksam. Sie sind der Auffassung, dass eine Kündigung möglicherweise nur wirksam wäre, wenn die Mutter einen Wohnberechtigungsschein iSd. § 4 WoBindG verfügt. Dies sei allerdings nicht der Fall. Dass nur Wohnungssuchende mit solch einer Berechtigung in dem Haus leben dürfen, begründen sie mit der Eigenschaft des Hauses als „öffentlich gefördert“. Die öffentliche Förderung bestand nach ihrer Auffassung in der Instandsetzung und Modernisierung mit öffentlichen Mitteln.
Denn die Wohnung unterliegen dem Wohnungsbindungsgesetz
Es unterliege damit dem Wohnungsbindungsgesetz. Dies gilt auch trotz Rückzahlung der öffentlichen Förderung, da gem. § 16 I WoBindG in solchen Fällen eine Nachwirkungsfrist von 10 Jahren gilt, hier bis zum 31.12.2024. Dies wurde den Mietern außerdem am 18.6.2019 vom Bezirksamt schriftlich bestätigt.
Sie beantragen daher die Klage abzuweisen.
Der Vermieter hält das Wohnungsbindungsgesetz dagegen für unanwendbar, da es nur für neu geschaffene Wohnungen gelte. Die streitgegenständlichen Wohnungen wurden jedoch nur instandgesetzt und sei damit nicht neu. Dass es sich bei dem Haus um einen Altbau handle, hatte das Landgericht Berlin in einem früheren Rechtsstreit festgestellt.
Entscheidung des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg
Das Gericht weist die Klage ab. Es urteilt, dass die Wohnungen unter das Wohnungsbindungsgesetz fallen. Für Wohnungen, die diesem Gesetz unterliegen, fehlt es der Mutter an einem Wohnberechtigungsschein gemäß § 4 WoBindG.
Eigenbedarfskündigung sei unwirksam, weil sie den Bindungen des Gesetzes widerspreche
Eigenbedarfskündigungen seien jedoch nur wirksam, wenn sie den Bindungen des Gesetzes nicht widersprechen. Dies tut eine Kündigung zugunsten einer Nicht-Wohnberechtigten jedoch. Daher waren die Eigenbedarfskündigungen des Vermieters unwirksam und die Mieter dürfen weiterhin im Haus wohnen bleiben.
Hinsichtlich des Streitpunkts, ob das Haus ein Neu- oder Altbau ist, sieht sich das Gericht nicht zur Bewertung befugt. Es verweist auf das Schreiben des Bezirksamts, in dem die Eigenschaft als öffentlich gefördertes Haus bis zum 31.12.2024 bestätigt wird. Hierdurch unterliege das Haus zwingend den Regelungen des Wohnungsbindungsgesetz. Das Schreiben des Bezirksamts kategorisiert das Gericht als feststellenden Verwaltungsakt, der auch für das Gericht verbindlich sei. Frühere Gerichtsurteile sieht es dagegen für nicht verbindlich an, da sie vor Erlass des Verwaltungsakts durch das Bezirksamt gefällt wurden und andere Sachen zum Gegenstand hatten.
Mieter dürfen somit in dem Haus wohnen bleiben – Kündigung unwirksam
Aufgrund des Schreibens des Bezirksamts unterliegt das Haus somit dem Wohnungsbindungsgesetz, nach dem die Mutter nicht zum Wohnen in dem Haus berechtigt ist. Die Eigenbedarfskündigungen sind somit unwirksam.
Quelle: Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg
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