Mietrecht: Haben WG Mitglieder Anrecht auf Zustimmung des Vermieters zur Auswechslung im Mietvertrag?

Landgericht Berlin, Urteil vom 18.08.2021, Az.: 64 S 261/20

Aufgrund hoher Mietkosten und knappen Wohnraums entscheiden sich immer mehr Menschen dazu, sich zu einer Wohngemeinschaft zusammenzuschließen. Eine Wohngemeinschaft entsteht somit immer dann, wenn mehrere Personen in einer Wohnung zusammenleben, um Kosten zu senken. Gemeinschaftsräume wie Küche, Badezimmer und Flur werden dabei gemeinsam genutzt. Viele wissen aber nicht, dass der gemeinsame Zweck zur Folge hat, dass die WG Bewohner eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB Gesellschaft bzw. GbR) nach § 705 BGB bilden. Daraus können sich dann wiederum verschiedenste Probleme für die mietrechtliche Situation der WG insgesamt und der einzelnen WG Bewohner ergeben.

In dem hier besprochenen Fall ging es um die Frage, ob die WG Bewohner gegen die Vermieterin einen Anspruch haben, dass die neuen Bewohner anstelle der bisherigen Bewohner in den Mietvertrag aufgenommen werden.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens

Siebenköpfige WG verklagte ihren Vermieter auf Zustimmung zur Aufnahme der neuen WG Mitbewohner

Kläger waren die Mitglieder einer 7köpfigen Wohngemeinschaft einer 240 m² großen Wohnung in Berlin. Vier der sieben Mitglieder wohnten zwischenzeitlich gar nicht mehr in der Wohnung, sondern vermieteten ihre Zimmer unter. Die Vermieterin weigerte sich, die neuen Mitglieder in den Mietvertrag aufzunehmen, so dass sich die WG Bewohner entschlossen hatten, die Vermieterin gerichtlich auf Zustimmung zu einer entsprechenden Vertragsänderung in Anspruch zu nehmen.

Vermieterin weigert sich und sieht keine Verpflichtung

Die Vermieterin weigerte sich jedoch und wandte ein, hierzu nicht verpflichtet zu sein und durch eine Aufnahme der neuen Mieter, die alten aus der Haftung entlassen zu müssen. Mietvertraglich war keine Regelung hinsichtlich einer Mieterauswechslung getroffen.

Das erstinstanzlich angerufene Amtsgericht Charlottenburg hatte der Klage stattgegeben und die Vermieterin zur Vertragsänderung verurteilt. Gegen dieses Urteil legte die Vermieterin Berufung ein.

Entscheidung des Landgerichts Berlin:

Kein Anspruch der Kläger auf Zustimmung der Auswechslung der 4 Neumietern

Das Landgericht Berlin sah keinen Anspruch der WG auf Zustimmung der Vermieterin und begründete dies wie folgt: Hinsichtlich der Frage, ob WG Mitbewohner einen Anspruch auf Zustimmung der Vermieterin zur Auswechslung einzelner WG Mitglieder haben, gäbe es zwei gegensätzliche Ansichten in der Literatur.

Nach einer verbreiteten Ansicht könne die WG einen Anspruch auf Zustimmung des Vermieters zur Auswechslung einzelner WG-Mitglieder haben, wenn für den Vermieter bei Mietvertragsabschluss offensichtlich war, dass die Mieter die Wohnung als Wohngemeinschaft nutzen wollen und er davon ausgehen musste, dass es im Laufe der Mietzeit zu einer Fluktuation der WG-Mitglieder kommen werde (vgl. Gsell u. a./Heinig, beck-online.Großkommentar BGB Stand 01.05.2021, § 414 Rn. 58; MüKo BGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, § 535 Rn. 61; beide zitiert nach beck-online).

Diese Voraussetzungen sollen schon dann vorliegen, wenn mehrere junge Studenten oder vier Personen, die – offensichtlich erkennbar – untereinander weder verwandtschaftlich noch als Lebenspartner verbunden sind als Mitmieter gemeinsam einen unbefristeten Mietvertrag über eine Wohnung abschließen (vgl. LG München I, WuM 1982, 189 f.; LG Berlin – 66 S 66/19 -, Beschluss vom 24.05.2019). Wo ein solcher Anspruch der eine Wohnung als WG nutzenden Mieter auf Änderung des Mietvertrages durch Berufungsgerichte erkannt wurde, kam häufig noch hinzu, dass die Mieter vor Vertragsschluss ihr Bedürfnis nach einer späteren Aufnahme weiterer oder neuer WG-Mitglieder ausdrücklich formuliert hatten (vgl. LG Karlsruhe, WuM 1992, 45 f. und BVerfG, ebendort; LG Berlin – 65 S 314/15 -, Urt. v. 23.03.2016, WuM 2016, 553 ff.) oder dass der Vermieter im Verlaufe des teils langjährigen Mietverhältnisses bereits mehrfach durch Zustimmung zu Vertragsänderungen die Auswechslung einzelner WG-Mitglieder ermöglicht, ein solches Bedürfnis und einen darauf bezogenen Anspruch der jeweiligen Mieter also zumindest faktisch anerkannt hatte (vgl. LG Göttingen, NJW-RR 1993, 783 f. und BVerfG, GE 1993, 358; LG Frankfurt/M., WuM 2012, 192 ff.; LG Berlin – 65 S 375/16 -, Urt. v. 11.01.2017).

Die Gegenmeinung wiederum sehe grundsätzlich keinen Rechtsanspruch gegen den Vermieter, dass dieser einen bestimmten Mieter aus dem Vertrag entlässt und an dessen Stelle mit einem anderen Mieter abschließt (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 540 Rn. 19); die Mitglieder einer WG seien danach vielmehr auf das Recht zur anteiligen Untervermietung der Wohnung nach § 553 BGB beschränkt, wenn der Mietvertrag keine Regelung für die Auswechslung einzelner WG-Mitglieder vorsehe (vgl. LG Hamburg, WuM 1985, 82 f.; LG Köln, NJW-RR 1991, 1414; LG Trier, WuM 1997, 548; LG Berlin – 65 S 176/19 -, Urt. v. 17.04.2020, GE 2020, 805 f.).

Landgericht Berlin folgt Gegenmeinung und sieht keinen Anspruch auf Mieterauswechslung

Dieser Ansicht folge auch das Landgericht Berlin. Einem Vermieter sei es nach Auffassung der Kammer aus Gründen der Vertragsautonomie auch dann nicht zuzumuten, Mieterwechseln zustimmen zu müssen, wenn er bei Vertragsschluss wusste, dass die Mieter eine WG betreiben wollen und deshalb ein Interesse haben, bei Auszug einzelner Mieter neue WG-Mitglieder in die Wohnung aufzunehmen.

Ein solcher Anspruch der eine Wohnung zum Betrieb einer WG mietenden Mieter könne nämlich darauf hinauslaufen, dass die Vermieterin die Wohnung ein für alle Male als WG-Wohnung gewidmet hätte und endgültig an den Mietvertrag gebunden bliebe; denn die jeweiligen WG-Mitglieder könnten den Mietvertrag an immer neue Generationen von WG-Bewohnern übertragen, ohne dass die Vermieterin den Vertrag irgendwann kündigen oder davon ausgehen könnte, dass das Mietverhältnis jemals – etwa durch Auszug oder Tod der Mieter – enden werde.

Ein solcher Anspruch würde bedeuten, dass die Vermieterin für immer eine WG in der Wohnung dulden müsste

Dem gegenüber könnten die Interessen der Mitglieder einer WG durch die „Untervermietungslösung“ regelmäßig hinreichend gewahrt werden; sie seien, um die WG bei Auszug eines ursprünglichen Mitmieters aus der Wohnung mit einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin fortzuführen, nicht zwingend auf eine entsprechende Änderung des Hauptmietvertrages angewiesen. Vielmehr könnten sie dieses Ziel durch die anteilige Untervermietung der Wohnung an das neue WG-Mitglied erreichen.

Nachdem der Mietvertrag ein Verfahren für den Austausch einzelner Mieter oder einen diesbezüglichen Anspruch der Kläger nicht ausdrücklich vorsehe, könne der Klage entgegen der Ansicht des Amtsgerichts auch nicht deswegen stattgegeben werden, weil die Parteien sich durch langjährige Übung auf ein solches Verfahren oder einen diesbezüglichen Anspruch der Kläger geeinigt hätten. Die Beklagte stimme zwar mit dem ersten Nachtrag zum Mietvertrag dem Austausch von fünf der sechs ursprünglichen Mieter gegen neue WG-Mitglieder mit Wirkung zum 1. März 2017 freiwillig zu. Zugleich sei jedoch die Gesamtzahl der Mieter von sechs auf sieben Mieter erhöht und außerdem eine Erhöhung der Miete vereinbart worden, sodass diese Nachtragsvereinbarung nicht dahin ausgelegt werden könne, dass die Beklagte sich hätte verpflichten wollen, auch weiteren zukünftigen Mieterwechseln auf Anforderung der Mieter bedingungslos zuzustimmen.

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