Mietrecht: Mieter muss weder für unbrauchbare Wohnung noch für Ersatzwohnung zahlen

LG Berlin, Urteil vom 25.03.2021 – 67 S 336/20

Ist eine Wohnung mit einem Mangel behaftet, kann der Mieter die Miete in angemessener Höhe mindern, solange der Mangel vorhanden ist. Wenn die Wohnung unbewohnbar ist und der Mieter nicht mehr in der Wohnung wohnen kann, darf er die Miete sogar vollständig mindern, das heißt, er muss überhaupt keine Miete mehr zahlen.

Dies gilt jedoch in der Regel nicht, wenn der Vermieter dem Mieter eine gleichwertige Ersatzwohnung zur Verfügung stellt. Dann kann das Minderungsrecht des Mieters vollständig ausgeschlossen sein. Stellt der Vermieter dem Mieter allerdings eine nicht gleichwertige Ersatzwohnung zur Verfügung und versäumt es zudem, eine ordnungsgemäße vertragliche Regelung zu dokumentieren, kann dies dazu führen, dass der Mieter überhaupt keinen Mietzins zahlen muss. Um einen solchen Fall handelt es sich hier.

Sachverhalt des Gerichtsverfahrens

Die Wohnung war aufgrund eines Wasserschadens und der anschließenden Sanierung unbewohnbar.

Kläger in diesem Fall ist der Vermieter, Beklagter war der Mieter. Der Beklagte hatte vom Kläger eine Wohnung gemietet (im Folgenden „Hauptwohnung“). Wegen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen war diese Wohnung unbewohnbar.

Vermieter stellt Mieter kleine Ersatzwohnung zur Verfügung:

Der Kläger stellte dem Beklagten für die Zeit zwischen Mai 2019 und Januar 2020 eine Wohnung in einem Seitenflügel zur Verfügung (im Folgenden „Umsetzwohnung“). Der Beklagte zahlte während dieser Zeit weder Mietzins für die Hauptwohnung noch für die Umsetzwohnung. Daraufhin kündigte der Kläger dem Beklagten und verklagte ihn auf Herausgabe der Hauptwohnung, hilfsweise auf Zahlung einer Miete/Nutzungsentschädigung in Höhe von 15.480,00 EUR für die Umsetzwohnung.

Amtsgericht weist Klage ab, Kläger legt Berufung ein:

Das zunächst angerufene Amtsgericht wies die Klage ab. Die Hauptwohnung sei unbewohnbar gewesen. Es habe keine vertragliche Abrede hinsichtlich der Umsetzwohnung gegeben, und schon aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit der Wohnungen sei keine Nutzungsentschädigung geschuldet. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung zum Landgericht Berlin ein.

Entscheidung des Landgerichts Berlin:

Auch das Landgericht Berlin folgte der Entscheidung des Amtsgerichts. Der Kläger habe gegenüber dem Beklagten weder Ansprüche auf Räumung und Herausgabe der Hauptwohnung noch auf Zahlung für eine der beiden streitgegenständlichen Wohnungen.

Kein Räumungsanspruch:

Der geltend gemachte Räumungsanspruch sei unbegründet, da die Voraussetzungen der §§ 985, 546 Abs. 1 BGB mangels Beendigung des Mietverhältnisses nicht erfüllt seien. Die streitgegenständlichen Kündigungen hätten das Mietverhältnis über die Hauptwohnung nicht gemäß den §§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB beendet.

Die Beklagten seien nicht mit Mietzahlungen in Verzug gewesen. Von Mai 2019 bis zum 19. Februar 2020 seien sie von der Entrichtung der Miete für die Hauptwohnung nach § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB vollständig befreit gewesen, da die Mietsache wegen der in diesem Zeitraum infolge des Wasserschadens und der anschließenden Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten unbewohnbar gewesen sei. Der Kläger habe dem Beklagten noch nicht einmal die Wiederherstellung der Nutzbarkeit der Hauptwohnung mitgeteilt.

Der Minderung stünde auch nicht entgegen, dass der Kläger dem Beklagten für die Zeit des Wegfalls der Gebrauchstauglichkeit der Hauptwohnung eine Umsetzwohnung zur Verfügung gestellt habe.

Da die Ersatzwohnung nicht vergleichbar ist, muss der Mieter auch keine Miete zahlen:

Soweit sich der Kläger darauf beruft, mit den Beklagten im Rahmen des Angebots der Umsetzwohnung eine Vereinbarung im Sinne einer Vertragsänderung durch vorübergehenden Austausch des Mietobjekts – gegebenenfalls auch verbunden mit einer abweichenden Mietzinsabrede – getroffen zu haben, fehle es bereits an hinreichend substantiiertem Vortrag zum Zustandekommen und Inhalt einer derartigen Abrede. Der Kläger trage trotz des Bestreitens des Beklagten und ungeachtet der diesbezüglichen Beanstandungen des Amtsgerichts auch weiterhin nicht konkret zu den Einzelheiten der behaupteten Vereinbarung vor.

Es könne in diesem Zusammenhang auch dahinstehen, ob das Vorbringen des Klägers, den Beklagten vor Bezug der Ausweichwohnung „unmissverständlich“ die von den Vormietern entrichtete Miete mitgeteilt und darauf hingewiesen zu haben, „dass diese nunmehr von den Beklagten für die Nutzung der (Ausweich-)Wohnung zu zahlen wäre“, trotz des Widerspruchs zur sonstigen Schilderung der von ihm behaupteten Abrede hinreichend substantiiert und gegebenenfalls auch schlüssig sei. Denn jedenfalls habe der Kläger dieses Vorbringen nicht beweisen können.

Ersatzwohnung war deutliche kleiner mit schlechterer Ausstattung

Die Annahme einer stillschweigenden Vereinbarung und einer darauf beruhenden Befugnis des Klägers, für die Zeit des Wegfalls der Gebrauchstauglichkeit die geschuldete Leistung durch das Angebot der Umsetzwohnung mit der Folge des Entfallens des Minderungsrechts zu erbringen, lasse sich aus § 536 BGB nicht ableiten. Sie wäre allenfalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gerechtfertigt, wenn der Kläger eine mit der vermieteten Wohnung vergleichbare und gleichwertige Wohnung zur Verfügung gestellt hätte (vgl. dazu LG Berlin, Urt. v. 8. Juli 2020 – 65 S 232/19, GE 2020, 1560; AG Hamburg, Urt. v. 27. August 2014 – 41 C 14/14, WuM 2014, 718; Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB, § 536 Rz. 186a; a.A. Horst, NZM 1999, 193, 194). Daran indes fehle es bereits mit Blick auf die deutlich geringere Größe der Umsetzwohnung (allenfalls 90 qm statt 130 qm), ihre minderwertige Ausstattung und Beschaffenheit (unter anderem Schimmelerscheinungen, stark verschmutzter Herd). Einem Wegfall des Minderungsrechts aufgrund stillschweigender Ersetzungsbefugnis stünde außerdem entgegen, dass die Nutzung der Ersatzwohnung mit erheblichen Einschränkungen für den Beklagten verbunden war (vgl. LG Berlin, a.a.O.). Nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen seien die Beklagten schon gehindert gewesen, mit ihrem Mobiliar vollständig in die Umsetzwohnung umzuziehen, da ein Teil der Möbel wegen des zu engen Treppenhauses nicht von der Haupt- in die Umsetzwohnung transportiert werden konnte. Davon ausgehend könne dahinstehen, ob dem rechtsgeschäftlichen Wegfall des Minderungsrechts nicht ohnehin die §§ 536 Abs. 4, 555a Abs. 4, 555d Abs. 7 BGB entgegenstanden (vgl. dazu LG Berlin, a.a.O.; LG München, Urt. v. 9. Dezember 2011 – 14 S 9823/11, BeckRS 2011, 29380 Tz. 27 ff.; Häublein, in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2020, BGB § 536 Rz. 50).

Das Berufen auf eine vollständige Minderung als Folge der Unbewohnbarkeit der Hauptwohnung sei im vorliegenden Fall der fehlenden Einigung über die Entgeltlichkeit der Überlassung der Umsetzwohnung schließlich auch nicht treuwidrig (§ 242 BGB). Dem stünde bereits die fehlende Gleichwertigkeit der allenfalls behelfsmäßigen Umsetzwohnung entgegen. Das entspreche im Ergebnis auch der gesetzlichen Wertung der §§ 555a Abs. 3 Satz 1, 555d Abs. 6 BGB.

Davon ausgehend seien die Beklagten auch nicht gemäß § 535 Abs. 2 BGB oder aus sonstigen Rechtsgründen zur Zahlung eines Mietzinses für die Hauptwohnung verpflichtet gewesen.

Gemessen an den vorherigen Ausführungen sei die Berufung ebenso ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des auf Zahlung von Miete für die Umsetzwohnung gerichteten Hilfsantrags gerichtet habe. Auch insoweit fehle es an einer ausdrücklichen Vereinbarung über die Einzelheiten des Vertrages (essentialia negotii), insbesondere über die Entgeltlichkeit der Nutzung. Die Parteien hätten auch keine konkludente Einigung erzielt. Für letztere reichte der bloße Bezug der Ausweichwohnung durch die Beklagten im Lichte der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB nicht aus. Sie hätte jedenfalls die Gleichwertigkeit von Haupt- und Umsetzwohnung vorausgesetzt. An dieser indes fehlte es aus den oben genannten Erwägungen.

Quelle: Landgericht Berlin

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