Mietrecht: Gestiegener Verkehrslärm berechtigt nicht grundsätzlich zur Mietminderung

Bundesgerichtshof, 19.12.2012, Az.: VIII ZR 152/12

Ein Mietmangel liegt vor, wenn der tatsächliche Zustand der vermieteten Wohnung (= Ist-Beschaffenheit) zum Nachteil des Mieters von dem vertraglich vereinbarten oder vorausgesetzten Zustand (= Soll-Beschaffenheit) der Wohnung abweicht.

Für die Untersuchung der Mangelhaftigkeit der Wohnung kommt es somit auf die Feststellung und den nachfolgenden Vergleich der Ist-Beschaffenheit mit der Soll-Beschaffenheit der Mietsache an.

Im Falle eines Rechtsstreits ist insbesondere die Feststellung der Soll-Beschaffenheit mit Schwierigkeiten verbunden, wenn diese nicht schriftlich im Mietvertrag festgehalten wurde.

Die Soll-Beschaffenheit kann sich dann nur konkludent aus einer Bezugnahme auf Pläne, Grundrisse oder sonstige Beschreibungen der Mietsache ergeben. Aber auch aus Aussagen des Vermieters bei der Wohnungsbesichtigung kann auf eine solche Soll-Beschaffenheit geschlossen werden.

Verschiedene Schritte zu Mietminderung durch Mieter

In der oben genannten Entscheidung des BGH hatte sich dieser damit zu befassen, unter welchen Voraussetzungen angenommen werden kann, dass Vermieter und Mieter stillschweigend die bei Vertragsabschluss gegebene geringe Belastung durch Verkehrslärm als vertragsgemäßen Zustand der Wohnung vereinbart haben, mit der Folge, dass die Miete bei einer Zunahme des Verkehrslärms gemindert sein kann.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

Umleitung einer Straße führt zu mehr Verkehrslärm in einer Mietwohnung

Die Beklagten waren seit dem Jahr 2004 Mieter einer Wohnung der Klägerin in der Schlossallee in Berlin. Von Juni 2009 bis November 2010 wurde der stadteinwärts fahrende Verkehr über die Schlossallee umgeleitet, weil auf der gesamten Länge der Pasewalker Straße, über welche der Verkehr bis dahin gelaufen war, umfangreiche Straßenbauarbeiten durchgeführt wurden. Die Beklagten minderten wegen der hierdurch gestiegenen Lärmbelastung die Miete ab Oktober 2009.

Vermieterin klagt geminderte Miete ein

Die Klägerin nahm die Beklagten daraufhin auf Zahlung rückständiger Miete für den Zeitraum von Oktober 2009 bis November 2010 in Höhe von insgesamt 1.386,19 € nebst Zinsen in Anspruch.

Amtsgericht sehen Klage als teilweise berechtigt an

Das zunächst angerufene Amtsgericht gab der Klage statt. Das mit der Berufung angerufene Landgericht hingegen änderte das amtsgerichtliche Urteil ab und verurteilte die Beklagten auf Zahlung von lediglich 553,22 € nebst Zinsen. Hiergegen richtete sich die Revision der Klägerin.

Urteil des Bundesgerichtshofes:

Bundesgerichtshof sieht keine Mietminderungsberechtigung wegen Verkehrslärm

Der BGH folgte der Ansicht des Landgerichts nicht, sondern verurteilte die Beklagten zur vollen Zahlung des Mietzinses.  Nach Ansicht des BGH reiche es für die Annahme einer stillschweigend geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsabschluss die verhältnismäßig geringe Belastung durch Verkehrslärm als vorteilhaft wahrnehme und er sich (möglicherweise) auch deswegen zur Anmietung der Wohnung entscheide.

Erforderlich sei vielmehr, dass der Vermieter erkennt oder erkennen musste, dass der Mieter die vorhandene geringe Lärmbelastung als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Zustand der Wohnung ansehe, und dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiere.

Aus dem Mietvertrag gehe keine Beschaffenheitsvereinbarung hervor

Aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine derartige Beschaffenheitsvereinbarung. Für die Bestimmung des vertragsgemäßen Zustands der Wohnung sei im Streitfall daher die Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben maßgebend.

Danach stelle sich die vorübergehende Erhöhung der Lärmbelastung nicht als ein zur Minderung berechtigender Mangel der Wohnung dar. Denn die von den Beklagten vorgetragenen Lärmwerte würden nach den Feststellungen der Vorinstanzen nach den im Berliner Mietspiegel 2009 ausgewiesenen Werten keine hohe Belastung darstellen.

Mieter haben Lärmbelastung hinzunehmen

Aus diesem Grund hätten die Beklagten die (erhöhte) Lärmbelastung redlicherweise hinzunehmen.

Für die Annahme des Berufungsgerichts, die vereinbarte Miete sei ab dem siebten Monat nach Eintreten der erhöhten Lärmbelastung gemindert, sei ein sachlicher Grund nicht erkennbar. Denn eine vorübergehende erhöhte Lärmbelastung stelle unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich – wie hier – innerhalb der in Berliner Innenstadtlagen üblichen Grenzen halte, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel nach § 536 BGB dar.

Quelle: Bundesgerichtshof

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