Vollstreckungsrecht: Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel nach deutschem und EU-Recht

Damit ausländische Titel in Deutschland vollstreckt werden können, müssen diese grundsätzlich zunächst in Deutschland durch einen inländischen Hoheitsakt für vollstreckbar erklärt werden (Exequaturverfahren).

Im deutschen Recht ist dieses Verfahren in den §§ 722, 723 ZPO normiert.

Danach kann die Vollstreckung ausländischer Urteile in Deutschland nur dann stattfinden, wenn ihre Zulässigkeit durch Urteil ausgesprochen wurde. Das notwendige Urteil des zuständigen Gerichts wird dabei gem. § 723 Abs. 1 ZPO ohne Prüfung der Gesetzmäßigkeit der ausländischen Entscheidung erlassen.

Zuständig für die Vollstreckbarkeitserklärung ist gem. der §§ 722 II, 802 ZPO örtlich der allgemeine Gerichtsstand der Schuldners und sachlich jeweils streitwertabhängig das Amtsgericht oder das Landgericht.

Die Vollstreckbarkeitserklärung muss allerdings immer dann unterbleiben, wenn die Voraussetzungen des § 328 ZPO vorliegen.

Dies ist zum Beispiel dann gegeben, wenn das Erstgericht (also das ausländische Gericht) nach deutschen Vorstellungen für die Entscheidung nicht zuständig war, wenn die Entscheidung an schweren Verfahrensfehlern leidet, wenn es Widersprüche zu einer anderen, in Deutschland getroffenen oder anerkannten/anzuerkennenden früheren Entscheidung gibt oder wenn die Entscheidung an anderen gravierenden inhaltlichen Mängeln leidet (Verstoß gegen orde public).

Gegen das Vollstreckungsurteil des jeweils zuständigen Gerichts kann sich der Schuldner mit der Vollstreckungsgegenklage wehren.

Die §§ 722, 723 ZPO treten allerdings immer dann zurück, wenn internationale Abkommen oder Vereinbarungen schnellere und einfachere Abläufe für die Vollstreckbarkeitserklärung bereit stellen.

Dies gilt insbesondere für das supranationale EU-Rechts, welches selbstverständlich Anwendungsvorrang vor dem deutschen Recht hat.

Ob und welches Abkommen für die Vollstreckbarkeitserklärung des jeweiligen Titels anwendbar ist, richtet sich nach der Art des Titels, dem Ursprungsland dessen und dem Zeitpunkt seines Erlasses.

Nachfolgend sollen einige wichtige internationale Abkommen hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung von ausländischen Titeln in Deutschland dargestellt werden:

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVO)

Vorrangiges EU-Recht ist insbesondere die Verordnung EG Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, auch EuGVVO, EuGVO oder Brüssel I genannt.

Die EuGVVO findet in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union einschließlich Dänemarks Anwendung. Keine Anwendung findet die EuGVVO in den EFTA-Staaten.

Wie der Titel der EuGVVO bereits aussagt, betrifft diese nur Titel in Zivil- und Handelssachen.

Folgende Bereiche sind von der Verordnung ausdrücklich nicht umfasst:

      • Personenstand und Rechts- bzw. Handlungsfähigkeit natürlicher Personen;
      • Ehegüterrecht, Testamente sowie gewillkürte oder gesetzliche Erbfolge;
      • Konkurs, Liquidation, Vergleich und ähnliche Verfahren;
      • Sozialversicherung;
      • Schiedsgerichtsbarkeit

Durch die EuGVVO wurde das Verfahren der Vollstreckbarerklärung in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erheblich vereinfacht und beschleunigt.

Gemäß Art. 41 EuGVVO ist ein ausländischer Titel nämlich bereits dann für vollstreckbar zu erklären, wenn die in Art. 53 EuGVVO vorgesehenen Förmlichkeiten erfüllt sind.

Folgende Förmlichkeiten werden dabei durch Art. 53 EuGVVO als notwendig angesehen:

Gemäß Art. 53 Abs. 1 EuGVVO hat die Partei, die die Anerkennung einer Entscheidung geltend macht oder eine Vollstreckbarerklärung beantragt, eine Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt.

Gemäß Art. 53 Abs. 2 EuGVVO hat die Partei darüber hinaus die Bescheinigung nach Artikel 54 EuGVVO vorzulegen.

Die Bescheinigung gem. Art. 54 EuGVVO muss  von dem Gericht des Ursprungsstaates ausgestellt werden.

Neben Angaben zu der zu vollstreckenden Entscheidung (Ursprungsstaat, Bezeichnung des Gerichts, Parteien des Verfahrens der Entscheidung, Aktenzeichen) sind in dieser Bescheinigung weitere Angaben zu machen, welche vor Erlaß der EuGVVO durch die Vorlage von Urkunden nachgewiesen werden mussten.

Die weiteren Einzelheiten der Anerkennung und Vollstreckung nach dem EuGVVO regelt das „Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen“ („AVAG“).

Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ)

Wie bereits erwähnt, findet die EuGVVO in den sogenannten EFTA Staaten (also Island, Norwegen, Schweiz, nicht aber Liechtenstein) keine Anwendung.

In diesen Staaten gilt das inhaltlich fast wörtlich mit der EuGVO übereinstimmende Lugano-Übereinkommen (LugÜ).

Das revidierte LugÜ ist am 30. Oktober 2007 in Lugano geschlossen worden. Unterzeichner waren die Schweiz, die Europäische Gemeinschaft, Dänemark, Norwegen und Island.

Bei dem revidierten LugÜ handelt sich um das Nachfolgeabkommen zum Lugano-Übereinkommen vom 16.09.1988.

Ein vollstreckbares Urteil aus der Schweiz oder Lichtenstein oder ein dem Urteil gleichgestellter Titel stellt nach dem LugÜ eine vollstreckbare Entscheidung dar und kann wie beim EuGVVO auf Antrag eines Berechtigten in Deutschland für vollstreckbar erklärt werden.

Ebenfalls wie beim EuGVVO betrifft dieses Übereinkommen allerdings nur Titel in Zivil- und Handelssachen.

Nicht erfasst werden gem. Art. 1 LugÜ Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

Das LugÜ ist weiterhin nicht anzuwenden auf:

      • Personenstand und Rechts- bzw. Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung natürlicher Personen;
      • Ehegüterrecht, Testamente sowie gewillkürte oder gesetzliche Erbfolge;
      • Konkurs, Vergleiche und ähnliche Verfahren;
      • die soziale Sicherheit;
      • und die Schiedsgerichtsbarkeit

Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (EuEheVO)

Seit dem 01.03.2005 werden die Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren zur elterlichen Verantwortung durch die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 geregelt (auch EuEheVO oder Brüssel IIa genannt).

Diese Verordnung ersetzte die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 vom 29. November 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (auch Brüssel II genannt).

Auch die EuEheVO gilt für alle Mitgliedsstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks.

Gemäß Art. 1 Abs. 1 EuEheVO gilt die EuEheVO für die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe sowie für die Zuweisung, die Ausübung, die Übertragung sowie die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung.

Derartige Entscheidungen werden gemäß Art. 21 Abs. 1 EuEheVO in den anderen Mitgliedstaaten automatisch anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.

Besteht für eine Partei allerdings ein Interesse, kann diese Partei gem. Art. 21 Abs. 3 EuEheVO eine Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Entscheidung in dem anderen Mitgliedstaat beantragen.

Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUnterhaltsVO).

Die EuEheVO betrifft allerdings nicht die grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsansprüchen. Bis vor einiger Zeit richtete sich die Vollstreckung von Unterhaltstiteln innerhalb der EU vielmehr nach der EuGVVO.

Seit dem 18.06.2011 ist für die Vollstreckung von Unterhaltstiteln die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, auch EuUnterhaltsVO oder EG-UntVO genannt.

Durch die EuUnterhaltsVO ist ein EU-weites System geschaffen worden, das die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen erleichtern und insbesondere zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen soll.

Um aus dem ausländischen Titel die Zwangsvollstreckung in Deutschland einleiten zu können, benötigt die antragstellende Partei die folgenden Unterlagen:

      • Ausfertigung des Titels mit Zustellbescheinigung und gegebenenfalls mit Rechtskraftvermerk
      • Ein Auszug aus dem Titel unter Verwendung des Formblattes in Anhang II VO (EG) Nr. 4/2009
      • die Vollstreckbarerklärung des Titels durch das ausländische Gericht einschließlich Zustellbescheinigung.

Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EuVTVO)

In manchen Fällen kann die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels in Deutschland für die Vollstreckung desselben allerdings auch entbehrlich sein.

Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Europäischer Vollstreckungstitel vorliegt. Gegenstand eines Europäischen Vollstreckungstitels sind unbestrittene Forderungen (d.h. Forderungen, gegen die sich der Schuldner nicht gewehrt oder diese durch Vergleich, Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil anerkannt hat).

Solche Titel werden – auf Antrag – vom Ursprungsgericht als „Europäischer Vollstreckungstitel“ bestätigt, wenn die Voraussetzungen von Art. 6 EuVTVO vorliegen.

Für diese Titel richtet sich die Vollstreckung dann nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen.

Gem. Art. 20 EuVTVO richtet sich die Vollstreckung dann nach den Vorgaben desjenigen Staates, in welchem das Urteil vollstreckt werden soll.

Eventuell kann noch eine Übersetzung sowie eine Apostille auf der Bestätigung als Vollstreckungstitel erforderlich sein.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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