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Bundesgerichtshof, 07.02.2012, Az.: 1 StR 525/11
Steuerzahler in Deutschland bilden eine Solidargemeinschaft. Um insofern eine gerechte und gleichmäßige Lastenverteilung hinsichtlich der Besteuerung in Deutschland zu gewährleisten, ist es notwendig, dass sämtliche Steuerpflichtigen in Deutschland entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden (Leistungsfähigkeitsprinzip).
Der Schutz des rechtzeitigen und vollständigen Aufkommens der zu erhebenden Steuern aber auch der Schutz des Vermögens des ehrlichen Steuerschuldners wird in Deutschland durch das Steuerstrafrecht und das Steuerordnungswidrigkeitenrecht gewährleistet.
Steuerdelikte haben schließlich immer auch eine Schädigung des Vermögens des ehrlichen Steuerzahlers zur Folge.
Das Steuerstrafrecht und das Steuerordnungswidrigkeitenrecht sind im 8. Teil der Abgabenordnung (AO) geregelt. Der 8. Teil der AO wiederum besteht aus vier Abschnitten:
1. Materielle Strafvorschriften (§§ 369 bis 376 AO)
2. Materielle Bußgeldvorschriften (§§ 377 bis 384 AO)
3. Strafverfahren (§§ 385 bis 408 AO)
4. Bußgeldverfahren (§§ 409 bis 412 AO).
Sämtliche Steuerverfehlungen lassen sich somit in Steuerstraftaten (§ 369 I AO) und Steuerordnungswidrigkeiten (§ 377 I AO) einteilen.
Steuerstraftaten sind unter Anderem:
– Steuerhinterziehung (§ 370 AO)
– Gewerbsmäßige oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens (§ 26c UStG)
– Steuerhehlerei
– Bannbruch (§§ 369 I Nr. 2, 372 AO)
– Steuerzeichenfälschung (§ 369 I Nr. 3 AO i. v. m. §§ 148 ff. StGB)
– Begünstigung eines Steuerstraftäters (§ 369 I Nr. 4 AO i. V. m. § 257 StGB)
Steuerordnungswidrigkeiten sind unter Anderem:
– Leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO)
– Steuergefährdungen (§§ 379 – 383 AO)
– Unzulässiger Erwerb von Steuererstattungs- und Vergütungsansprüchen (§ 383 AO)
– Schädigung des USt-Aufkommens (§ 26b UStG)
Die Strafzumessung im Steuerstrafrecht erfolgt auf der Grundlage der Schuld des Täters.
Es handelt sich dabei somit um einen individuellen Vorgang dar, der einzelfallabhängig zu prüfen ist. Dabei werden alle Umstände, die für und gegen den Täter sprechen gegeneinander abgewogen.
Das Gesetz nennt bestimmte Umstände, die bei der Abwägung zu berücksichtigen sind (§ 46 Abs. 2 StGB):
- die Beweggründe und die Ziele des Täters,
- die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,
- das Maß der Pflichtwidrigkeit,
- die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,
- das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie
- ein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
Mit dem oben genannten Urteil des Bundesgerichtshofes vom 7. Februar 2012 hat dieser seine Grundsätze bestätigt, nach denen bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe eine Bewährungsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe in Betracht kommt.
Hintergrund des Falls
Im Jahr 2001 war der Angeklagte Mitgesellschafter und Geschäftsführer der P. GmbH. Er verkaufte die P. GmbH und eine weitere Gesellschaft für 80 Millionen DM an die T. AG. Zusätzlich erhielt er Aktien im Wert von 7,2 Millionen DM als Gegenleistung dafür, dass er den Kauf der anderen Gesellschaftsanteile ermöglichte. Diese Aktien deklarierte der Angeklagte in seiner Einkommensteuererklärung fälschlicherweise als Teil des Kaufpreises. Dadurch konnte er die steuerlich vorteilhafte Versteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren nutzen, was eine Steuerverkürzung von mehr als 890.000 Euro für das Jahr 2002 zur Folge hatte.
Weitere Steuerhinterziehung durch falsche Deklaration von Tantiemen
Nach dem Verkauf blieb der Angeklagte als Geschäftsführer der P. GmbH tätig. Im Jahr 2006 standen ihm Tantiemen in Höhe von mehr als 570.000 Euro zu. Um die dafür anfallende Lohnsteuer zu hinterziehen, veranlasste er, dass die Tantiemen angeblich an seine Ehefrau und Kinder geschenkt wurden. Dabei erstellte er falsche Dokumente, um diese „Schenkung“ zu verschleiern. Dies führte zu einer Steuerverkürzung in Höhe von 240.000 Euro.
Verurteilung durch das Landgericht Augsburg
Das Landgericht Augsburg verurteilte den Angeklagten am 8. April 2011 wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. In beiden Fällen erkannte das Gericht einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO an. Trotz dieser Feststellung kam es zu einer Bewährungsstrafe, was auf mildernde Umstände zurückgeführt wurde.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil des Landgerichts im Strafausspruch auf. Die Revision der Staatsanwaltschaft zielte auf eine höhere Bestrafung. Der BGH sah in der Strafzumessung des Landgerichts erhebliche Rechtsfehler, die zugunsten des Angeklagten gewirkt hatten. Insbesondere wurde das Fehlen strafschärfender Umstände mildernd berücksichtigt, und wesentliche straferschwerende Gesichtspunkte, wie das Zusammenwirken des Angeklagten mit seinem Steuerberater zur Erstellung manipulierter Unterlagen, wurden nicht ausreichend beachtet.
Zudem habe sich das Landgericht bei der Strafbildung zu stark an der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung orientiert. Der BGH stellte klar, dass bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe eine Bewährungsstrafe nur bei besonders gewichtigen Milderungsgründen in Betracht kommen kann. Diese habe das Landgericht jedoch nicht ausreichend begründet, weshalb die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen wurde.
Quelle: Bundesgerichtshof
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