Steuerstrafrecht: Umsatzsteuerhinterziehung eines Geschäftsführers (GmbH, KG) durch Unterlassen
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Gesellschaftsrecht
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von: Helmer Tieben

Bundesgerichtshof, 17.03.2009, Az.: 1 StR 479/08

Der Geschäftsführer hat als gesetzlicher Vertreter für die Erfüllung aller Pflichten Sorge zu tragen, welche die von ihm vertretene juristische Person treffen, also auch die zur Entrichtung der angefallenen Steuern und zur Abgabe der Erklärung gegenüber den Steuerbehörden (siehe § 34 AO).

Dazu gehört auch die in § 18 Abs. 1 UStG normierte Pflicht, wonach der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes eine Voranmeldung zu übermitteln hat, in der er die Steuer für den Voranmeldungszeitraum selbst zu berechnen hat.

Kommt der Geschäftsführer dieser Pflicht nicht ordnungsgemäß nach, begeht er gem. § 370 Abs. 1 AO i. V. m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 2 UStG eine Umsatzsteuerhinterziehung.

§ 370 Abs. 1 UStG hat drei Tatbestände, wonach mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer

– den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,

– die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder

– pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt.

Der Steuerhinterziehungstatbestand kann demgemäß sowohl durch ein aktives Tun als auch durch ein Unterlassen des Geschäftsführers einer GmbH verwirklicht werden.

Die Steuerhinterziehung durch Geschäftsführer (GmbH, KG) ist häufig Gegenstand von Gerichtsentscheidungen (siehe z. B. 1 StR 90/09, 1 StR 105/10, 1 StR 416/08, 1 StR 479/08).

Die oben genannte Entscheidung 1 StR 479/08 hatte den Tatbestand der Umsatzsteuerhinterziehung durch Unterlassen zum Gegenstand.

In diesem Fall hatte es der Geschäftsführer einer KG vorsätzlich unterlassen, der Abgabe seiner Umsatzsteuerjahreserklärung sowie seiner steuerrechtlichen Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO nachzukommen, indem er schwerwiegende Fehler seiner Buchhaltungskraft bei der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen vorsätzlich nicht berichtigte.

1. Sachverhalt und Hintergrund

Im vorliegenden Fall steht der Geschäftsführer einer Kommanditgesellschaft (KG) im Mittelpunkt einer Auseinandersetzung mit dem Finanzamt. Die KG hatte durch einen erheblichen Rückstand in ihrer EDV-Buchhaltung Schwierigkeiten, die erzielten Umsätze und gezahlten Vorsteuerbeträge korrekt zu erfassen. Aufgrund dieser Probleme waren die Daten der Buchhaltung lückenhaft und unvollständig, was dazu führte, dass der Buchhaltungsabteilung wesentliche Informationen fehlten. Um dennoch die Umsatzsteuervoranmeldungen fristgerecht einreichen zu können, übernahm eine angestellte Steuerfachkraft die manuelle Erstellung dieser Voranmeldungen. Sie stützte sich dabei auf die vorliegenden Eingangs- und Ausgangsrechnungen der KG.

Allerdings unterliefen der Steuerfachkraft dabei gravierende Fehler. Es stellte sich heraus, dass die angemeldeten Umsätze in mindestens fünf Monaten deutlich unter den tatsächlich erzielten Umsätzen lagen. Dieser Umstand wurde im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau durch das Finanzamt aufgedeckt. Die Finanzbehörde informierte daraufhin den Geschäftsführer der KG über die festgestellten Unregelmäßigkeiten. Durch diese Mitteilung erlangte der Geschäftsführer Kenntnis davon, dass nicht nur für diese fünf Monate, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für weitere Zeiträume falsche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben worden waren.

Trotz dieses Wissens unterließ der Geschäftsführer es jedoch, eine korrekte Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben. Dabei hätte er durch eine solche Erklärung zugleich seiner Pflicht zur Berichtigung der unrichtigen Voranmeldungen gemäß § 153 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) nachkommen können. Diese Berichtigung wäre ihm leicht möglich gewesen, da die Buchhaltung der KG zwischenzeitlich so weit vervollständigt worden war, dass ihm die tatsächlichen und korrekten Umsatzzahlen zur Verfügung standen. Dennoch entschied er sich bewusst gegen eine Berichtigung und somit gegen die Abgabe einer korrekten Umsatzsteuerjahreserklärung.

2. Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH)

Der Bundesgerichtshof (BGH) wurde mit der strafrechtlichen Bewertung dieses Verhaltens befasst. Das Landgericht hatte den Angeklagten zuvor aufgrund von Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verurteilt, da er es unterlassen hatte, eine korrekte Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben. Der BGH bestätigte im Wesentlichen die Auffassung des Landgerichts, jedoch mit einer entscheidenden Klarstellung hinsichtlich der steuerrechtlichen Pflichten des Angeklagten.

Nach Ansicht des BGH bestehen die Pflichten zur Anzeige und Berichtigung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen nach § 153 AO sowie zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung nach § 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unabhängig voneinander. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige, unabhängig davon, ob einzelne oder alle Umsatzsteuervoranmeldungen eines Jahres unrichtig sind, dennoch zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung verpflichtet ist.

Der BGH führte dazu aus, dass ein Unternehmer, der monatlich zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet ist, insgesamt dreizehn Steueranmeldungen pro Kalenderjahr abgeben muss – zwölf monatliche Voranmeldungen und eine Jahreserklärung. Die Pflicht zur Abgabe der Jahreserklärung besteht demnach unabhängig davon, ob die monatlichen Voranmeldungen korrekt oder fehlerhaft waren. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der verfassungsrechtlich garantierte Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit in bestimmten Situationen dazu führen kann, dass die Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung ausgesetzt wird. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wird, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen der Verletzung seiner Pflichten zur Abgabe zutreffender Voranmeldungen eingeleitet wurde.

3. Berichtigungspflicht nach § 153 AO

Ein wesentlicher Punkt in der Entscheidung des BGH war die Unterscheidung zwischen der Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung und der Berichtigungspflicht nach § 153 AO. Die steuerrechtliche Berichtigungspflicht nach § 153 AO stellt eine eigenständige Verpflichtung dar, die nur dann entsteht, wenn der Steuerpflichtige nachträglich erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Steuererklärung unrichtig oder unvollständig war. In einem solchen Fall ist er verpflichtet, dies unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, den Finanzbehörden anzuzeigen und die unrichtigen Angaben zu berichtigen.

Diese Berichtigungspflicht nach § 153 AO gilt als eigenständige Verpflichtung, die unabhängig von der Pflicht zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung besteht. Der Steuerpflichtige muss demnach nicht zwingend eine neue Steuererklärung abgeben, sondern ist lediglich verpflichtet, die fehlerhaften Voranmeldungen zu korrigieren. Es ergibt sich also aus § 153 AO keine unmittelbare Pflicht zur Abgabe einer wahrheitsgemäßen Jahreserklärung. Dennoch kann die Berichtigungspflicht auch dadurch erfüllt werden, dass der Steuerpflichtige eine korrekte Jahreserklärung einreicht, die stillschweigend auch die Korrektur der fehlerhaften Voranmeldungen umfasst.

4. Verwirklichung des Straftatbestands

Der BGH stellte fest, dass der Angeklagte den Straftatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwirklicht hat. Dies geschah vor allem dadurch, dass er es unterließ, für das Jahr 2002 eine korrekte Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben. Der Angeklagte wusste aufgrund der Mitteilung des Finanzamts, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen für mehrere Monate falsch waren. Er hätte daher nicht nur die Voranmeldungen berichtigen müssen, sondern war auch zur Abgabe einer korrekten Jahreserklärung verpflichtet.

Durch das bewusste Unterlassen der Jahreserklärung versuchte der Angeklagte, die durch die falschen Voranmeldungen erzielten Steuervorteile dauerhaft zu sichern. Diese Handlung erfüllte den Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Auch die Nichterfüllung der Berichtigungspflicht aus § 153 AO führte dazu, dass der Angeklagte strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurde. Der BGH bestätigte in diesem Zusammenhang, dass sowohl das vollständige Unterlassen der Berichtigung als auch die Abgabe einer nur scheinbar korrigierten Steuererklärung mit falschen Angaben strafbar ist.

Zusammenfassend entschied der BGH, dass der Angeklagte aufgrund des vorsätzlichen Verhaltens, die unrichtigen Angaben nicht zu berichtigen und keine korrekte Jahreserklärung abzugeben, den Straftatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht hat.

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Quelle: Bundesgerichtshof

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